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Mechanische Thrombektomie in der Schlaganfalltherapie

30.09.2015
Grafik: Funktionsweise der mechanischen Thrombektomie

Grafische Veranschaulichung der Funktionsweise der mechanischen Thrombektomie; © Covidien

Gleich fünf positive Studien innerhalb eines Jahres brachten bei schweren Schlaganfällen so eindeutige Vorteile der mechanischen Thrombektomie, dass vier von ihnen aus ethischen Gründen vorzeitig abgebrochen werden mussten.

"Die Ergebnisse sind so klar, dass derzeit von einer Revolution in der Schlaganfalltherapie gesprochen wird", sagte Prof. Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

In den 70ern war der Schlaganfall das ungeliebte Kind in der Neurologie. Da es keine Bildgebung gab, war es nicht möglich, zwischen cerebralen Ischämien und Blutungen zu unterscheiden. Die meisten Patienten mit Schlaganfall wurden in einer Klinik für Innere Medizin abgelegt. Dann wurde abgewartet, ob der Patient das Ereignis überlebt oder nicht.

In den Folgejahren realisierten die Neurologen, dass es sich beim Schlaganfall um eine Erkrankung des Gehirns handelt, und begannen damit, sich aktiv um das Krankheitsbild zu kümmern. 1994 wurde die erste Stroke Unit (SU) in Deutschland in Essen eröffnet, und es stellte sich rasch heraus, dass durch eine Behandlung auf der Stroke Unit sowohl bei cerebralen Ischämien wie auch bei cerebralen Blutungen die Mortalität und die permanente Morbidität signifikant reduziert werden können.

Heute existieren in Deutschland 256 zertifizierte Stroke Units. 107 von ihnen sind überregionale SU, die technisch und personell besser ausgestattet sind und die weiteren 159 regionalen SU bei der Behandlung unterstützen. Das System der Stroke Units in Kombination mit den neuen Behandlungsoptionen rettet heute jedes Jahr zehntausenden Menschen das Leben und bewahrt unzählige Patienten vor schwersten Behinderungen.

Im Jahr 2002 wurde die systemische Thrombolyse mit rt-PA in einem Zeitfenster von drei Stunden innerhalb der europäischen Union zugelassen. Damit gab es zwei wissenschaftlich belegte Therapien für den akuten Schlaganfall. Ein Nachteil der systemischen Thrombolyse war, dass es bei Verschlüssen der großen proximalen Hirnarterien wie der distalen Arteria carotis interna und der proximalen Arteria cerebri media nur bei der Hälfte der Patienten zu einer Rekanalisierung mit entsprechender klinischer Verbesserung kommt.

Ein wesentlicher technischer Fortschritt war die Entwicklung von Katheter-Systemen, mit denen es gelang, ähnlich wie in der Kardiologie, eine Thrombektomie durchzuführen. Die ersten drei randomisierten Studien, die diese Therapie untersuchten, verliefen allerdings negativ, was auf einer Vielzahl von methodischen Mängeln dieser Studien beruhte. In der Folgezeit wurden dann fünf große randomisierte Studien begonnen bei Patienten mit distalen Verschlüssen der Arteria carotis interna und der proximalen Arteria cerebri media, in denen eine systemische Thrombolyse im Zeitfenster von 4,5 Stunden mit einer systemischen Thrombolyse und zusätzlicher Thrombektomie mit einem sogenannten Stent-Retriever untersucht wurde.

Alle fünf Studien brachten innerhalb eines knappen Jahres positive Ergebnisse, und vier der Studien mussten wegen eindeutiger Überlegenheit der Thrombektomie vorzeitig abgebrochen werden. Nimmt man die fünf Studien mit ihren 633 Patienten mit Thrombektomie zusammen und vergleicht die Ergebnisse mit den 650 Patienten mit systemischer Thrombolyse, führte die Thrombektomie zu einer 2,42-fachen Wahrscheinlichkeit, den Schlaganfall nur mit minimalen neurologischen Ausfällen zu überleben. Bezüglich der Sterblichkeit ergab sich ein positiver Trend, und es bestanden keine erhöhten Raten an intrakraniellen Blutungen. Mit den Ergebnissen dieser fünf positiven Studien ist ein wichtiger Meilenstein in der Schlaganfalltherapie erreicht worden. Im Gegensatz zur systemischen Thrombolyse, bei der die Rekanalisationsraten zwischen 40 und 50 Prozent liegen, wurden hier Rekanalisationsraten von 70 bis 90 Prozent erreicht.

Die gesundheitspolitische Herausforderung wird sein, die Versorgung von Schlaganfallpatienten in Stroke Units und Schlaganfallzentren so zu organisieren, dass möglichst viele Patienten von dieser neuen Therapie profitieren. Vor allem gilt es sicherzustellen, dass die rund 10.000 zusätzlichen radiologisch-interventionellen Eingriffe pro Jahr auch wirklich mit der notwendigen hohen Qualität durchgeführt werden können.

REHACARE.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Mehr über die Deutsche Gesellschaft für Neurologie unter: www.dgn.org