Die Hörakustikerinnen Lea Hartkens (rechts) und Mareike Hestermann führten die Untersuchungen durch; © Pressestelle FH Lübeck
Wie steht es um die Sicherheit hörbehinderter Menschen im Straßenverkehr? Ist es ihnen überhaupt möglich die Klingel eines Fahrrads im Tumult der Umgebungsgeräusche rechtzeitig wahrzunehmen? Zwei Studentinnen der Hörakustik der Fachhochschule Lübeck haben die Wahrnehmung von Fahrradklingeln bei Menschen mit Hörbehinderung im Straßenverkehr untersucht.
Wie wichtig es ist, Fahrradfahrer rechtzeitig wahrzunehmen, zu sehen und zu hören, wissen wohl alle, die schon einmal versucht haben, Fußgängerüberwege an Verkehrskreiseln zu benutzen. Dabei kommt es nicht nur auf ein besonders gutes Sehvermögen an, sondern auch und vielmehr auf ein relativ gutes Hörvermögen, um die nicht motorisierten und somit fast lautlosen Verkehrsfahrzeuge wie Fahrräder wahrzunehmen. Wie steht es um die Sicherheit hörbehinderter Menschen im Straßenverkehr? Ist es ihnen überhaupt möglich die Klingel eines Fahrrads im Tumult der Umgebungsgeräusche rechtzeitig wahrzunehmen?
Dieser Fragestellung sind die zwei Studentinnen Lea Hartkens (28) und Mareike Hestermann (25) aus dem 5. Fachsemester des Bachelor-Studiengangs Hörakustik im Rahmen ihrer Projektarbeit "Audibility of bicycle bells by hearing-impaired people" nachgegangen. Die beiden Hörakustikstudentinnen wollten zuerst wissen, ob die im Handel erhältlichen Standardklingeln die Vorgaben der Straßenverkehrszulassungsordnung überhaupt erfüllen. Dazu wurden die Schalldruckpegel von zehn handelsüblichen Fahrradklingeln in einem reflektionsarmen Raum im Labor für Akustik gemessen. Das Ergebnis war, dass nur ein Klingeltyp, die Außenanschlagsklingel, die geforderte 85-Dezibel-Norm erreichte.
In einem zweiten Schritt wollten die beiden Studentinnen wissen, ob hörbehinderte Menschen die verschiedenen Fahrradklingeln in typischer Verkehrsumgebung wahrnehmen und bei welchem Lautstärke-Niveau die Wahrnehmungsschwelle liegt. Dazu wurden mit Hilfe von Kunstkopfaufnahmen allgemeine Straßengeräusche an einer viel befahrenen Straße (Ratzeburger Allee, Hauptausfallstraße in Lübeck) und auch an einem innerstädtischen Platz (Lübecker Altstadt, Koberg) aufgenommen. Die besonderen Mikrofone ermöglichten dabei ein räumliches Hören der Umgebungsgeräusche und verstärkten somit den psychoakustischen Faktor der Aufnahmen. Diesen Aufnahmen wurden noch weitere Umgebungsgeräusche zugespielt (anfahrende Busse, Martinshorn von Rettungs- und Einsatzfahrzeugen) und Probanden mit leichten bis mittleren Hörverlusten im hochfrequenten Bereich vorgespielt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen waren eindeutig. Es waren die Außenanschlagsklingeln mit dem einfachen PING, die das Rennen machten und als "bestens wahrnehmbar" eingestuft wurden. Gleich danach kamen die Klingeln mit dem DING-DONG, wie sie häufig bei Hollandrädern montiert sind.
Nach Auswertung aller Ergebnisse empfehlen die beiden Hörakustikerinnen: Um die Sicherheit von Menschen mit Hörbehinderung im Straßenverkehr zu erhöhen, sollten alle im Handel erhältlichen Fahrradklingeln die gesetzte 85 -Dezibel-Norm erreichen. Da sich die Untersuchung der Hörbehinderungen auf den hochfrequenten Bereich bezog, empfehlen die Beiden idealerweise die Herstellung von lauten Breitbandklingeln.
Und für Menschen mit Hörbehinderung wie etwa Schwerhörigkeit empfehlen sie die Nutzung eines Hörgerätes, da ein solches Gerät nicht nur zu einem besseren Sprachverstehen, sondern auch erheblich zur Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt, weil es die Wahrnehmung in einer normalen Verkehrsumgebung deutlich verbessert.
Hartkens und Hestermann wurden mit ihrer Untersuchung zur Wahrnehmbarkeit von Fahrradklingeln bei hörbehinderte Verkehrsteilnehme mittlerweile auch international gewürdigt. Auf der International Bicycle Safety Conference 2015 (IBSC) präsentierten sie neben 14 anderen internationalen Teams ihre Untersuchungsergebnisse und erhielten dafür den Best Poster Award.
REHACARE.de; Quelle: Fachhochschule Lübeck