Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) verkündete im Sommer 2017, dass der Umsatz von Spielen für PCs, stationäre und tragbare Spielekonsolen und Smartphones und Tablets im ersten Halbjahr auf über eine Milliarde Euro in Deutschland gestiegen ist. Das entsprach einem Umsatzplus zum Vorjahres-Zeitraum von elf Prozent. Weltweit belief sich der Umsatz 2016 auf 91 Milliarden US-Dollar. Für 2017 könnte er die Marke von 100 Milliarden US-Dollar geknackt haben. Damit sind Videospiele in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Inzwischen spielt die Hälfte der Deutschen Computer- und Videospiele", bestätigte Felix Falk, Geschäftsführer des BIU, in unserem Nachgefragt-Interview im Dezember.
Obwohl mittlerweile die Hälfte der Deutschen gern einmal die ein oder andere Stunde zockt, sind nicht alle in der Lage, mitzuspielen: Allein eine mögliche Alternative für den Konsolen-Controller ist beispielsweise für Tetraplegiker wie Dennis Winkens schwierig zu besorgen. Sein QuadStick ist sozusagen eine Sonderanfertigung. Da er längst nicht als Massenware produziert wird, kostet die multifunktionale Maus, die mittels Blas- und Saugbefehlen mit dem Mund bedient wird, um die 400 US-Dollar. Neben der Mundmaus gibt es aber auch programmierbare Fußsteuerungen oder Gaming-Mäuse mit einem integrierten, programmierbaren Tastenfeld. Wem es schwerfällt, einzelne, kleine Tasten zu treffen, für den gibt es ebenfalls externe Steuermodule wie große Druckknöpfe oder Fußschalter. Nicht nur diese Beispiele zeigen: In vielen Dingen müssen sich spielwillige Menschen mit Behinderung selbst helfen. Oder sie wenden sich an Organisationen wie AbleGamers. Die Seite www.ablegamers.org hilft Menschen mit Behinderung individuelle Spiele-Lösungen – passend auf ihre Behinderung zurechtgeschnitten – zu finden und hilft auch bei der Finanzierung. Doch bei all der Kreativität, die Menschen für alternative Steuerungen an den Tag legen, machen ihnen die großen Konsolen-Hersteller einen Strich durch die Rechnung, indem in der Regel nur Original-Zubehör zugelassen wird.
Und selbst wenn man den Controller eigenhändig bedienen kann, ist längst nicht jedes Spiel spielbar: Zwar haben mittlerweile individuell einstellbare Optionen in Sachen Tastenbelegung, Farbkontrast, Lautstärke oder Untertitel Einzug in die Games gehalten, aber längst ist nicht jeder Hersteller auf diesen Trichter gekommen. Dennoch hat sich die Spielbarkeit für Menschen mit Behinderung verbessert, wie auch Bloggerin Melanie Eilert bestätigen kann. Nicht nur in ihrem Gastbeitrag für die gamescom, sondern auch auf ihrem Blog hat sie bereits 2016 über die Steuerungsanpassung von Minecraft geschrieben und wie sie es geschafft hat, sich nur mit Maus-Befehlen in der 3D-Welt zu bewegen. Aber natürlich haben nicht nur körperlich beeinträchtigte Gamer wie Winkens oder Gelegenheitszockerin Eilert Probleme beim Spielen.
Gerade für gehörlose oder blinde Menschen sind Games (fast) unspielbar. So leben Horror-Games von Soundeffekten, andere Spiele haben für Menschen mit Sehbeeinträchtigung furchtbare Menüs oder gerade für Menschen mit Rot-Grün-Schwäche Features eingebaut, die für diese Gruppen quasi nicht wahrnehmbar sind. Dass es auch anders geht, zeigen Spiele wie das via Kickstarter finanzierte Horror-Adventure BlindSide, welches allein nach Gehör gespielt wird. Viele Zocker mit Programmier-Skills helfen sich selbst durch MODs, also eine selbst programmierte Modifikation des ursprünglichen Spiels, um Games beispielsweise durch Sprachausgaben für sich spielbar zu machen. Zusätzlich helfen Seiten wie www.audiogames.net, die sich darauf spezialisiert haben, Spiele zu empfehlen, die hauptsächlich auf Geräuschkulisse statt auf visuelle Reize setzen.