Das Hilfsmittel ReWalk Exoskelett: der klinische, rehabilitative Einsatz vor der alltäglichen Nutzung

Seit Juni 2019 ist sie Chefärztin der Neurologie an der VAMED Klinik Hohenstücken, wo sie vor ihrem Wechsel nach Bad Tennstedt schon  zehn Jahre als Oberärztin und leitende Oberärztin an der damals neu gegründeten Klinik gearbeitet hatte.                                        

Frau Dr. Marz-Loose, seit wann wenden Sie das ReWalk Exoskelett in der Rehabilitation Ihrer Patienten an und warum?

Ich erinnere mich noch sehr genau an unsere erste Exoskelett Erprobung mit dem ReWalk-System in Bad Tennstedt im Mai 2016. Während der Jahrestagungen der DMGP (Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie) konnten wir seit wenigen Jahren die Entwicklung von Exoskeletten verfolgen. Nachdem die größten Querschnittzentren unserer Gesellschaft erste positive Resultate in Anwendungsstudien veröffentlichten, wollten wir unseren Patienten, diese innovative Gangrehabilitation nicht vorenthalten. Ein knapp 30-Jähriger, seit 2 Jahren inkomplett tetraplegischer Patient, sollte die "Exoskelett-Epoche" in Bad Tennstedt eröffnen. Wir gewannen erste Erfahrungen und wenn unser Indexpatient auch das Hilfsmittel nicht ohne therapeutische Unterstützung nutzen lernte, so profitierte er doch vom System hinsichtlich Lebensfreude, Spastikregulation und Rumpfstabilität.

Alle nachfolgenden Anwender, bei denen wir das Exoskelett ausprobierten, erfüllten die Indikationskriterien des ReWalk-Systems und konnten am Ende selbstständig mit dem System gehen. Bei vier von ihnen wurde das Exoskelett als Hilfsmittel bereits bewilligt und sie nutzen es in ihrem Alltag. Immer wieder bewegend ist es, wenn der Patient das erste Mal mit dem System aufsteht. Jedes Mal kann man das Leuchten in den Augen der Querschnittpatienten sehen, die die Welt nach für sie unendlich langer Zeit, wieder "auf Augenhöhe" sehen.

Seit Juli 2019 leite ich in der VAMED Klinik Hohenstücken auch das Querschnittzentrum. Eine knapp über 20-jährige junge Mutter konnten wir das ReWalk-System schon erproben lassen. Auch in ihren Augen war das Leuchten, als sie sich das erste Mal, ohne menschliche Unterstützung, nur robotergestützt in den Stand aufrichtete. Nach den ersten 200 Schritten war sie sich sicher, diese Methode weiter anwenden zu wollen.

Welche Erfahrungen kommunizieren Ihre Patienten in der rehabilitativen und alltäglichen Nutzung des ReWalk Exoskeletts?

Neben dieser ersten persönlichen Erfahrung wurde uns eine bessere Regulierung der Darmtätigkeit, der Blasensituation, der Spastik und des Schlafes gespiegelt. Ich erinnere mich an zwei Zitate von Anwendern: "Es ist ein maschinelles Gehen, aber es ist ein Gehen" und "Ich verstehe immer noch nicht, wie man nach einem Gangrobotertraining körperlich so geschafft, aber glücklich sein kann".

Bei den Erwachsenen lagen die Begrenzungen der Methode hauptsächlich beim Körpergewicht beziehungswiese dem Hüftumfang. Auch wir mussten in der Vergangenheit deshalb zwei junge Erwachsene, aus diesem Grund von der Exoskelett-Erprobung ausschließen. Das war hart für die Betroffenen.

Jetzt bin ich rehabilitativ in einer Altersgruppe unterwegs, die die größte Dynamik und das höchste Rehabilitationspotenzial aufweist. Die Limitation der Exoskelette im Kinderbereich liegt in der Körpergröße. Wünschenswert wäre daher ein "mitwachsendes" System. Bis dato sind Betroffene bis zu einer Größe von 1,60 Metern praktisch ausgeschlossen von dieser innovativen Methode.