Wie reagieren die Kinder auf die speziellen Langstöcke?
Schweizer: Das ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Kinder, die lehnen den Langstock komplett ab, und andere geben ihn nicht mehr aus der Hand. Ein Kind tendiert immer dazu, an der Hand der Eltern gehen zu wollen. Das ist völlig richtig und wichtig. Das gehört zum Kindsein dazu und es gibt Vertrauen und Sicherheit. Das Kind sollte nicht die Erfahrung machen, dass es mit dem Langstock immer allein laufen muss und sich deswegen abgelehnt vorkommt oder unter Druck gesetzt. Dann wird es den Stock meistens sofort und dauerhaft verweigern. Nein, der Stock ist der ständige Begleiter, ob mit oder ohne Hand der Eltern. Er ist, im Gegenteil, der "Möglichmacher", die Chance auch ab und zu selbstbestimmt etwas zu erreichen oder zu untersuchen. Der Stock sollte sich lohnen, indem das Kind Dinge erreicht, erlebt, bekommt, wenn es den Stock benutzt.
Was bedeutet für Sie Inklusion?
Schweizer: Auf alle Kinder bezogen, nicht nur behinderte Kinder: Jedes Kind sollte wohnortnah in die Schule gehen können. Es sollte in einer Klassengröße unterrichtet werden, die Arbeit mit dem einzelnen Kind zulässt. Es sollte seiner Begabung und seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. In jeder Klasse sollten so viele Pädagogen und Helfer sein, wie es nötig ist, um dies zu erreichen. Die Voraussetzungen an den Schulen müssen derart sein, dass Inklusion keine Bürde für eine Schule oder einen Lehrer ist, sondern sie ist selbstverständlich und macht Freude. Neues Lehrmaterial der Schulbuchverlage sollte nur unter der Bedingung von den Kultusministern zugelassen werden, dass die Verlage (eventuell gemeinsam mit den Kompetenzzentren/Förderzentren oder anderer Stellen) das Material barrierefrei herausbringen oder barrierefreie Varianten zur Verfügung stellen. Vorbild aus dem Medienbereich: Die für Filmproduzenten existenzielle Filmförderung gibt es in Deutschland nur noch, wenn Filme barrierefrei sind.
Sowohl hoch- als auch minderbegabte Kinder brauchen einen Sonderpädagogen, ebenso Fremdsprachler und blinde Kinder. Die individuelle Lern-Besonderheit eines Menschen sollte der Regelfall sein und keine Behinderung! Die finanzielle Entlastung der Gesellschaft durch Inklusion ist in Wahrheit enorm. Die bisher ausgegrenzten Menschen werden in einer inklusiven Gesellschaft zu selbstbestimmten Individuen, denn sie werden selbstständiger, brauchen weniger Assistenz und Hilfsmittel, das Bildungsniveau steigt und die Arbeitslosigkeit sinkt – sowohl bei den behinderten Menschen als auch bei den Pädagogen. Sozialhilfe beziehungsweise Hartz IV würden ebenfalls seltener benötigt.