Frau Dickmann, warum Leicht. Bewerben.?
Chiara Dickmann: Leicht. Bewerben. zielt darauf ab, Menschen mit Beeinträchtigungen die Teilnahme am digitalen Bewerbungsprozess zu ermöglichen. Ein interaktives Lern-Tool in Leichter Sprache führt die Nutzer/-innen durch den gesamten Prozess des Schreibens einer digitalen Bewerbung und ermöglicht ihnen, ihren persönlichen Lebenslauf und Anschreiben in Leichter Sprache nach Abschluss herunterzuladen.
In unserer alltäglichen Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben wir festgestellt, dass es vielen schwerfällt, eine Bewerbung digital zu erstellen. Wir haben außerdem wahrgenommen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen (zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Nicht-Muttersprachler/-innen) einen erschwerten Zugang zu Arbeitsplätzen, vor allem auf dem primären Arbeitsmarkt, haben. Laut des jährlichen Inklusionsbarometers der Aktion Mensch in Kooperation mit dem Forschungsinstitut des Handelsblattes verbringen Menschen mit Lernschwierigkeiten im Durchschnitt 109 Tage länger mit der Suche nach einer Beschäftigung im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen und weisen eine Erwerbslosigkeit von 13,4 Prozent auf. Die Partizipation am Arbeitsmarkt ist aber ein essentieller Aspekt, um ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen zu können. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden Leicht. Bewerben. zu entwickeln
Wie kann Leicht. Bewerben. dabei helfen, den Arbeitsmarkt in Deutschland inklusiver zu gestalten?
Dickmann: Das Bewerbungsverfahren wurde in den vergangenen zehn Jahren fast vollständig digitalisiert. Aus diesem Grund müssen Werkzeuge bereitgestellt werden, die sicherstellen, dass diese Prozesse transparent und leicht verständlich sind/werden. Deswegen haben wir ein innovatives Lern-Tool in Leichter Sprache für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt, um sie dazu zu befähigen, erfolgreich an digitalen Bewerbungsprozessen teilzunehmen.
Leichte Sprache ist eine vereinfachte Version von Deutsch und wird im inklusiven Schulsystem aber auch für Nicht-Muttersprachler (Migrant/-innen und Menschen mit Fluchthintergrund) verwendet, um die anfängliche Integration zu erleichtern. Herkömmliche Bewerbungstools und Materialien werden bisher ausschließlich in Standardsprache zur Verfügung gestellt, sodass unser Tool den unmittelbaren Bedarf der Zielgruppen abdeckt.
Unser Projekt geht zusätzlich auf den Bedarf von 156.000 deutschen Unternehmen ein, die ab einer Mitarbeitergröße von 20 Angestellten laut § 71 SGB IX mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung besetzen müssen. 2016 blieben 32.000 Stellen unbesetzt. Für jeden Pflichtarbeitsplatz, der nicht besetzt wird, muss ein Arbeitgeber eine sogenannte Ausgleichszahlung leisten (§ 77 SGB IX). Hieraus ergibt sich auch ein weiterer Bedarf, diese Arbeitsplätze zu besetzen.