An der Universität Hildesheim lernen Studierende viel über „Barrierefreie Internetkommunikation“; © Isa Lange/Universität Hildesheim
Sie setzen auf kurze Sätze – ohne dass Informationen verloren gehen. Barrierefreiheit ist für Programmierer von Internetseiten zwar kein Fremdwort, doch viele Menschen mit Behinderungen, Nicht-Muttersprachler und funktionale Analphabeten stoßen im weltweiten Netz schnell an Grenzen.
Nicht nur öffentliche Stellen, auch die Wirtschaft sollte sich stärker um Verständlichkeit bemühen, fordert Christiane Maaß von der Universität Hildesheim. Es fehlen einheitliche Regeln für Übersetzungen in Leichte Sprache – die Sprachwissenschaftler der Uni Hildesheim wollen sie entwickeln.
„Bundes-Tag ist der Name für ein großes Haus in Berlin.“ steht auf der Internetseite des Deutschen Bundestags, die es seit Oktober 2012 in Leichter Sprache gibt. Auch die Wahl des Bundeskanzlers wird erklärt. Genauso gibt es Fußballregeln, Wahlprogramme von Parteien und Nachrichten in Leichter Sprache. Sie verzichten auf Schachtelsätze, erklären Fremdwörter, arbeiten mit Beispielen und Bildern. Wer produziert diese Texte, wie verständlich sind sie? „Sag es einfach, klar“, ist ihr Motto – und zugleich eine Herausforderung.
An der Universität Hildesheim lernen Studierende die „Barrierefreie Internetkommunikation“. Am 30. Januar gingen zentrale Teile der Internetseite des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte in Leichter Sprache online. 24 Studierende des Masterstudiengangs „Medientext und Medienübersetzung“ haben 27 Berufsbilder – genormte Texte der Handwerkskammer – übersetzt.
„Damit ich Fachbegriffe wie ‚Psychosomatische Störungen‘ und ‚Eingangs- und Verlaufsdiagnostik‘ überhaupt verständlich erklären konnte, hat ein Ausbilder mir die Tätigkeit beschrieben. Übersetzer müssen mit den Inhalten vertraut sein“, sagt Student Alexander Kurch. „Und wenn im Ausgangstext steht ‚körperlich belastbar sein‘, dann mussten wir weitere Infos einholen – denn beim Hauswirtschafter, Koch oder Tischler sind die Belastungen unterschiedlich“, ergänzt die Leipzigerin Maria Heybutzki.
Leichte Sprache nutzt nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch jenen mit geringen Deutschkenntnissen, Nichtmuttersprachlern oder funktionellen Analphabeten.
„Öffentliche Stellen bemühen sich zunehmend um barrierefreie Informationsangebote – allerdings sind diese von wechselnder Qualität“, sagt Christiane Maaß. Die Professorin für Medienlinguistik forscht und lehrt an der Universität Hildesheim im Bereich „Barrierefreie Kommunikation“ und leitet das Übersetzungsprojekt zusammen mit Uta Fröhlich.
Im Internet könne man sich schnell über Ereignisse, Fakten oder Verordnungen informieren. Doch viele Internetseiten stellen Hürden für die Nutzer dar, sagt Maaß. „Informationen sind schlecht auffindbar, können auf dem Ausgabegerät nicht dargestellt werden oder sind in komplizierter Sprache verfasst.“ Manche Inhalte, etwa aus dem medizinischen, juristischen oder behördlichen Kontext, sind für Menschen mit Sinnesbehinderungen überhaupt erst zugänglich, wenn sie in Leichter Sprache vorliegen. Maaß fordert, mehr Webseiten zusätzlich in dieser syntaktisch und lexikalisch vereinfachten Form des Deutschen anzubieten.
Nur wenige Internetseiten sind in „Leichter Sprache“ zugänglich, die meisten von Behörden. Erst seit 2011 gilt die Verordnung „BITV 2.0“, die den barrierefreien Zugang zum Internetauftritt der Bundesbehörden regelt.
Politische Abläufe und Entscheidungen müssen verständlich gemacht werden. „Im nicht-behördlichen Bereich stehen wir ganz am Anfang. Auch die Unternehmen stehen in der Pflicht. Die Wirtschaft hat sich bislang kaum auf die Bedürfnisse sinnesbehinderter Menschen eingestellt. Außerdem fehlt eine wissenschaftliche Aufarbeitung: Leichte Sprache braucht fundierte Übersetzungsregeln, damit die Texte wirklich für einen möglichst großen Kreis von Lesern hilfreich sind.“, bemängelt Maaß. Es fehlen Profis, die die Übersetzungen durchführen.
REHACARE.de; Quelle: Stiftung Universität Hildesheim