"Die Prioritäten der Arbeitsmarktpolitik müssen verschoben werden: weg von der Förderung von Sonderstrukturen, hin zum gleichzeitigen Ausbau inklusiver Beschäftigungsmodelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt", erklärte Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte bereits 2016 anlässlich der Veröffentlichung des Positionspapiers "Inklusiver Arbeitsmarkt statt Sonderstrukturen". In der damaligen Pressemitteilung hieß es explizit, dass das Institut die Bundesregierung auffordere, "den allgemeinen Arbeitsmarkt für behinderte Menschen zugänglicher zu machen und über die Zukunft der Werkstätten offen zu diskutieren".
Auch die Vereinten Nationen empfehlen bereits seit 2015 die schrittweise Abschaffung der Sonderstrukturen. "Solange Menschen mit Behinderungen in gesonderten Werkstätten arbeiten müssen, weil sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Chancen haben, kann von einer vollen Verwirklichung des Rechts auf Arbeit und Beschäftigung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention nicht die Rede sein", wird Aichele 2016 weiter zitiert. Doch noch immer ist in dieser Hinsicht nicht viel passiert in Deutschland. Diskussionen hierzu finden meist nur im kleinen Rahmen statt.
Zwar sind deutsche Unternehmen ab 20 Mitarbeitern dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben, doch ein Großteil der Arbeitgeber ignoriert diese Vorgabe und nimmt stattdessen Strafzahlungen bereitwillig in Kauf.
Aber auch in anderen europäischen Ländern ist es nicht einfacher: Während es in Belgien beispielsweise unterschiedliche Vorgaben für die einzelnen Landesteile gibt, existieren in Ungarn gar keine gesetzlichen Vorgaben. Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung liegt dort unter 30 Prozent und eine Teilhabe am Arbeitsleben gilt dort mit am schwersten innerhalb der Europäischen Union (EU).
Anders sieht es inzwischen in Schweden aus: Samhall ist eine Gesellschaft in staatlichem Besitz, die den Auftrag hat, sinnvolle Arbeit für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Als Personaldienstleister für die schwedische Wirtschaft vermittelt Samhall ausschließlich Menschen mit Behinderung in verschiedene schwedische Unternehmen. Dort arbeiten sie zum üblichen Tariflohn zusammen mit Menschen ohne Behinderung. Bei Bedarf steht es den Angestellten auch frei, direkt in die Unternehmen zu wechseln, wenn beide Seiten einverstanden sind.