REHACARE.de sprach mit der Mutter von zwei Kindern über ihr Familienleben und fragte nach, inwiefern die beiden Diagnosen ihren Alltag bestimmen.
Katarina, Sie leben sowohl mit MS als auch mit ADHS. Wie genau äußert sich das bei Ihnen?
Katarina B.: Genau, ich habe zwei Diagnosen, welche verschiedene Behinderungen in meinem Alltag hervorrufen und trotzdem nicht sichtbar sind. Meine MS-Diagnose (eine bisher unheilbare chronische Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems) habe ich 2013 bekommen und durch die verschiedenen Symptome folgte dann die ADHS-Diagnose. Leider harmonieren diese beiden Behinderungen nicht so gut miteinander. MS braucht Ruhe und raubt sehr viel Energie. Dagegen brauche ich durch ADHS viel Aktion und Adrenalin, um mich in meinem Körper wohl zu fühlen, Stress macht mich glücklich. Also zwei Gegensätze, welche ich unter einen Hut bringen muss.
Inwiefern beeinflussen die verschiedenen Symptome Ihr Leben?
Katarina B.: Meine MS beeinflusst meinen Alltag am meisten durch die enorme Erschöpfung (Fatigue). Leider nützt auch ausreichend Schlaf nicht bei dieser chronischen Abgeschlagenheit. Sie fühlt sich auch ganz anders an als die normale Müdigkeit. Fatigue wirkt sich auch auf meine kognitiven Funktionen aus. Nicht nur mein Körper ist müde, sondern auch mein Kopf. Ich werde vergesslich, verzettle mich schnell, brauche enorm viel Kraft, um mich auf eine Sache konzentrieren zu können, und kann manchmal keinen klaren Gedanken fassen. Diese Erschöpfung fühlt sich so an, als ob die letzten Tropfen Kraft aus dem Körper gesogen werden. Hier kommt dann ADHS ins Spiel und macht alles noch etwas komplizierter. ADHSler werden manchmal umgangssprachlich auch "Zappelphilipp" genannt und genau das trifft auf mein Naturell zu! Das Zusammenspiel von Adrenalin und Cortisol ist bei MS leider ziemlich unpraktisch, da Stress ein sehr schlechter Trigger ist.
Wie wirkt sich das alles auf Ihr Familienleben aus?
Katarina B.: Meine Familie und ich sind sozusagen in diese Behinderungen hineingewachsen. Meine Kinder waren noch klein als ich die Diagnose bekam. Wir entschieden uns schnell, sehr offen mit den Kindern darüber zu sprechen. Die Behinderungen durch MS und ADHS haben mich extrem empfindlich auf Reizüberflutung gemacht. Ein Alltag mit Kindern ist aber laut, lebhaft, voll mit Lärm, Kinderlachen, Kinderweinen und so vielem mehr. Manchmal führt das bei mir leider zu einer sehr großen Überreizung, welche sich auch in körperlichen Schmerzen zeigen kann. Die Erschöpfung ist für mich das größte Problem, weil sie meistens gegen 15 Uhr anfängt. Das ist die Zeit, in der meine Kinder von der Nachmittagsschule kommen und Hausaufgaben machen müssen. Dafür muss ich meine letzten Kraftreserven mobilisieren, was enorm anstrengend ist. Die Tatsache, dass meine Kinder mit einer kranken Mutter aufwachsen, nimmt ihnen einen Teil der unbeschwerten Kindheit. Trotzdem denke ich, dass ich meinen Kindern mit meiner positiven Einstellung ein gutes Vorbild sein kann.
Und wie reagiert Ihr Mann auf Ihre Einschränkungen?
Mein Mann stand seit dem ersten Tag hinter mir. Trotzdem stellt man sich als Betroffene diese Fragen über die Zukunft: Werde ich meinem Partner irgendwann zur Last fallen? Werde ich zu einem Pflegefall, um den er sich kümmern muss? Wie viel darf man von seinem Partner erwarten?
Wir haben relativ schnell einen guten Umgang mit meinen verschiedenen Symptomen gefunden. Der größte Teil ist für andere nicht sichtbar, mein Mann ist aber direkt davon betroffen. Also muss ich zum Beispiel ihm klar kommunizieren, wenn etwas nicht funktioniert, ich viel zu müde bin, keine Kraft in den Händen oder Beinen habe. Mein Mann übernimmt oft viele der Haushalts- und Kinderaufgaben, die ich vorher gemacht habe. Wir ergänzen uns gut und müssen manchmal etwas mehr planen als in der Vergangenheit.