Was ist das Besondere an den angebotenen Touren?
Kutter: Unsere Programmgestaltung spricht alle Sinne an, am wenigsten jedoch den Sehsinn. Es geht ganz viel um Geschmack, zum Beispiel bei einem Gang über den Markt, bei dem man die verschiedenen, zum Teil exotischen Früchte probiert. Außerdem sind alle Reisen so ausgestattet, dass ganz viel Taktiles mit dabei ist. Wir versuchen Führungen zu organisieren, bei denen zum Beispiel Kunstwerke ertastet werden können. Andererseits achten wir in den Städten auch auf architektonische Details, die typisch sind für ein Land oder eine Region, die die Gäste anfassen können. In Portugal gibt es zum Beispiel ganz tolle Türklopfer. Auch der Geruch spielt eine Rolle auf unseren Reisen. Wir besuchen beispielsweise Kräuterfarmen oder Rosendestillerien in Bulgarien, wo man unterschiedliche Produkte erriechen kann.
Generell sind wir viel in der Natur. Auch bei Kulturreisen gibt es Ausflüge in die Natur, weil dort die Eindrücke vielfältiger sind – auch für jemanden, der eben nicht sieht. Da wird dann geschaut, was es dort für Pflanzen gibt, deren Blätter man mal anfassen kann, oder was es für Steine oder Muscheln am Strand gibt.
Welche Vorteile haben die sehenden Reisegäste auf den von Ihnen angebotenen Reisen?
Kutter: Die sehenden Gäste haben den Vorteil, dass es eine komplett andere Art und Weise ist, zu verreisen. Es geht vor allem um die anderen Sinne. Indem man einen blinden Gast während der Reise – also bei der Orientierung und Fortbewegung – unterstützt und während des Tagesprogramms mit ihm unterwegs ist, beschreibt man auch öfter, was man so sieht. Und um das beschreiben zu können, muss man viel genauer hinschauen. Viele sehende Gäste bestätigen uns, dass sie alles viel intensiver wahrnehmen, dass sie aufmerksamer sind.
Was sehende Gäste bei uns auch sehr schätzen, ist, dass wir im Programm auch einen hohen Anteil an Besuchen von Initiativen und Begegnungen mit Menschen des Reiselandes organisieren. Das ist einfach immer interessant – ob man sieht oder nicht. Wenn man also einen Orangenbauern besucht oder eine Schule in Costa Rica und von den Schülern dann durch den Regenwald geführt wird.
Ein weiteres kleines Argument ist der Preis. Sehende Gäste reisen zu einem reduzierten Preis, weil sie sich ja auch ein Stück weit engagieren. Was man aber auch wissen sollte: Blinde Menschen sind natürlich sehr selbstständig. Daher geht es vor allem darum, sie während des Programms bei der Orientierung zu unterstützen. Konkret heißt das, dass sie sich bei den sehenden Gästen unterhaken oder darauf hingewiesen werden, wenn es Treppen oder Stufen gibt.
Und inwiefern profitieren die Reisegäste mit Sehbehinderung?
Kutter: Das speziell auf sie ausgerichtete Programm ist natürlich schon positiv. Aber für viele noch viel wichtiger: Blinde Gäste können sich bei uns allein reisend anmelden – ohne Begleitung, ohne auf Verwandte oder Freunde angewiesen zu sein, die dann mitkommen müssen. Wir kümmern uns um die Begleitung für sie. Wir wechseln täglich, welche Gäste füreinander Begleitperson sind. Es ist also nicht eine sehende Person eine Woche lang für die selbe sehbehinderte Person zuständig. Dadurch kennen sich alle relativ schnell ziemlich gut und es entsteht eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Es ist immer sehr viel Kommunikation in der Gruppe.