Timo Hermann ist Projektleiter von travelable. REHACARE.de sprach mit ihm über das Projekt und den wachsenden Markt für barrierefreies Reisen.
Herr Hermann, wie und warum ist travelable entstanden?
Timo Hermann: Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es einen großen Mangel an Informationen über die jeweiligen Ziele gibt. Das heißt die Hürden, die Menschen mit Behinderung in der Regel haben, liegen gar nicht im Reisen selbst oder in der Mobilität, sondern schon direkt in der eigentlichen Informationsgewinnung vorab: Wo kann ich eigentlich hin? Wie sieht es am Zielort aus? Welche Unterkünfte gibt es dort, die barrierefrei – rollstuhlgerecht, oder was auch immer ich benötige – sind? Was kann ich vor Ort eigentlich unternehmen? Denn auch das Umfeld ist sehr wichtig. Mir hilft das beste rollstuhlgerechte Hotel nichts, wenn es irgendwo auf einem Berg liegt und ich weder hoch- noch herunterkomme und wenn es in der unmittelbaren Umgebung keine barrierefreie Gastronomie oder Ausflugsziele gibt. Genau da wollten wir ansetzen. Anfang 2016 haben wir uns dann entschlossen, ein neues Projekt zu starten, das durch die Aktion Mensch gefördert wird. Das war dann der Startschuss für travelable.
Was ist das Ziel von travelable?
Hermann: Es gibt im Großen und Ganzen drei Ziele: Zum einen Informationen zu liefern, die andere nicht finden oder anbieten.
Für das zweite Ziel muss ich ein klein wenig ausholen: Gerade bei unseren Recherchen für Städteseiten haben wir Kontakt mit Städteverantwortlichen, mit Kommunalvertretern oder mit Tourismusmarketing-Gesellschaften. Und diese muss man für die bestehenden Hürden sensibilisieren und auch darauf aufmerksam machen, dass gerade barrierefreies Reisen ein unglaublich schnell wachsender Markt mit einem hohen Potential ist. Da stößt man aber immer wieder auf Verwunderung, wenn man Zahlen präsentiert, wie groß der Markt eigentlich ist. Und das ist natürlich eins unserer großen Ziele: Einfach ein Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderung zu schaffen.
Und das dritte Ziel ist ganz klar, dass wir Menschen mit Behinderung selbst auch aktivieren und animieren wollen, indem wir zeigen: „Hey, es geht. Du kannst nach München fahren. Klar, du wirst diese und diese Probleme haben, aber es geht erstmal grundsätzlich.“ Viele haben das, glaube ich, gar nicht so auf dem Schirm, was heute alles schon möglich ist. In den letzten zwanzig Jahren hat sich unglaublich viel verändert. Und das wollen wir auch zeigen und die Situation für alle Beteiligten verbessern.
Mit dem Angebot wenden wir uns generell an alle Menschen mit Behinderung, aber wir haben natürlich aufgrund unserer eigenen Erfahrungen einen großen Schwerpunkt auf Mobilitätseinschränkungen. Wenn wir aber Informationen haben, gerade bei Städteseiten, zum Beispiel für seh- oder hörbehinderte Menschen, dann übernehmen wir die natürlich auf jeden Fall.
Auf dem Online-Portal gibt es einerseits Städteseiten, wie beispielsweise für Berlin, die mit Unterstützung von visitBerlin aufgebaut wurde. Andererseits gibt es auch noch die Tagestouren. Wie genau entstehen die angebotenen Städtetouren?
Hermann: Für die Städtetouren suchen wir in unserem Netzwerk jeweils lokale, betroffene Personen, die ihre Stadt vorstellen möchten. Das ist uns ganz wichtig, dass die Leute ihre Stadt kennen und sie auch präsentieren möchten. Und wenn es nicht lokale Personen sind, dann sollen es zumindest Leute sein, die die Stadt wirklich gut kennen und die dort häufig sind. Und die Touren sollen natürlich erprobt sein. Es können Rollstuhlfahrer sein, es können natürlich auch Begleitpersonen von Rollstuhlfahrern sein, das haben wir auch. Die München-Tour ist vom Freund von Laura Gehlhaar, der vor Ort seine eigenen Erfahrungen gemacht hat und sich deswegen dafür verbürgen kann, dass es auch so funktioniert. Er war dort mit seiner rollstuhlfahrenden Freundin entsprechend oft unterwegs.