Keine Frage, das autonome Fahren wäre der Beginn eines neuen automobilen Zeitalters. Noch sind wir davon zwar relativ weit entfernt, aber was denken die verschiedenen Verbände, die Menschen mit Behinderung in Deutschland vertreten, zu diesem Thema? „Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) ist grundsätzlich daran interessiert, dass Menschen mit Höreinschränkungen an allen Neuerungen genauso teilhaben können wie Menschen ohne Behinderungen. Wir sehen keinen Grund, warum das nicht auch für das autonome Fahren möglich sein wird“, äußert der Vizepräsident des DSB, Norbert Böttges. Generell können gehörlose oder schwerhörige Menschen in Deutschland ohne Auflagen ihren Führerschein beantragen. Sie müssen lediglich ein Attest vom Arzt vorlegen, dass sie keine weitere Einschränkung an der Teilnahme am Straßenverkehr behindert.
Besonders für blinde oder sehbehinderte Menschen in Deutschland wäre dieses Thema, wie Lydia Zoubek erfahren hat, ein großer Traum. Der Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV), Andreas Bethken, erklärt hierzu: "Autonomes Fahren hat im Alltag noch keine Relevanz, ist aber für uns blinde und sehbehinderte Menschen eine spannende Baustelle." Auf die Euphoriebremse drückt derweil der Bund behinderter Auto-Besitzer (BbAB) in Person des 1. Vorsitzenden Achim Neunzling: "Trotz aller Euphorie, die von der Autoindustrie für das autonome Fahren verbreitet wird, bestehen seitens des BbAB starke Zweifel an der Vision. Bei schienengebundenen Systemen wie dem Bahnverkehr denkt momentan niemand darüber nach, die Lokführer abzuschaffen und Züge computergesteuert fahren zu lassen. Dabei wäre es doch viel einfacher, wie das Fahren auf den überfüllten Straßen mit ihren unzähligen Situationen, die im Notfall kein technisches Gehirn mit Logik einschätzen kann."
Sicherlich hat sich in den vergangenen Jahren auch für Menschen mit Behinderung viel getan, was die Mobilität mit dem eigenen PKW angeht. Es gibt heute in Deutschland über 70 KFZ-Umrüster, die Fahrzeuge individuell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung anpassen. Dadurch hat sich die Unabhängigkeit für sie erhöht. "Dabei sind einige Automobilhersteller bezüglich der Zusammenarbeit mit den Umrüstern besonders aufgeschlossen, indem sie wichtige technische und elektronische Daten zur Verfügung stellen", lobt Neunzling. Verständlicherweise wollen auch Menschen mit Behinderung nicht auf die Systeme, die den Fahrtkomfort und die Sicherheit erhöhen, verzichten. So manches Problem löst die Auto-Industrie auch ohne Zutun von Umrüstungs-Spezialisten quasi von allein. So seien Rückfahrkameras für schwerhörige oder gehörlose Menschen ein Fortschritt zu rein akustischen Warnsignalen, wie Norbert Böttges sagt.
Aber natürlich machen sich gerade blinde und sehbehinderte Menschen, die momentan ohnehin nur Mitfahrer sein können, Sorgen, auch beim Thema autonomes Fahren übergangen zu werden. Wie Andreas Bethke anmerkt: "Wir haben schon oft erleben müssen, dass Potenziale verschenkt wurden, einfach, weil niemand an uns gedacht hat. Deshalb fordern wir von den Herstellern und der Politik, bei diesem Thema von Anfang an einbezogen zu werden." Damit die Hersteller gerade diese spezielle Gruppe von Menschen nicht übersehen, bietet die Perkins School for the Blind in den USA ihren Campus für Prototypentests an und gibt den Herstellern Input, wie die Bedienbarkeit für alle besser wird. Ebenfalls in den USA beheimatet, hat die National Federation of the Blind (NFB) beispielsweise die Blind Driver Challenge ins Leben gerufen, die Entwickler und Visionäre aufruft, Schnittstellentechnologien zu konstruieren, die es blinden Menschen ermöglichen sollen, selbstständig Auto zu fahren.