Dennoch ist die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung deutlich über dem Landesdurchschnitt. So sind 12,4 Prozent von ihnen ohne Anstellung. Grund dafür ist auch die Möglichkeit der Ausgleichsabgabe, die Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern beim Verfehlen der Mitarbeiterquote für Schwerbehinderte zahlen können und die mit gerade einmal 320 Euro pro Monat viel zu gering ausfällt, um tatsächlich einen Anreiz zu schaffen, die Fünf-Prozent-Hürde im Unternehmen zu erfüllen.
Dabei sind mehr Menschen mit Behinderung gut qualifiziert. Unter den gut 170.000 arbeitsfähigen Menschen, die eine Schwerbehinderung haben, sind anteilig mehr Fachkräfte als unter den arbeitslosen Menschen ohne Behinderung (Stand November 2017). Dennoch gelingt es ihnen seltener, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Insgesamt brauchen sie gut 100 Tage länger als nicht-behinderte Arbeitssuchende.
Ein weiterer Grund für Unternehmen und Betriebe Menschen mit Behinderung – obwohl dazu verpflichtet – zu meiden, sind neben Vorurteilen, was die Arbeitsbelastung angeht, aber auch das Unwissen der potentiellen Arbeitgeber, was Förder- und Leistungsmöglichkeiten betrifft. "Wir verfügen im Bereich Inklusion und Rehabilitation über ein umfangreiches und sehr differenziertes Fördersystem. Träger der Rehabilitation und die Integrationsämter können Arbeitgeber mit den unterschiedlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unterstützen. Kleine und mittlere Unternehmen erleben dieses Fördersystem allerdings häufig als unübersichtlich, fragmentarisiert und nicht durchschaubar: die unterschiedlichen Zuständigkeiten, Antragsmodalitäten und Verfahrenswege werden oft als bürokratische Barrieren wahrgenommen. Das System orientiert sich zu wenig an den Erfordernissen, Möglichkeiten und Grenzen dieser Betriebe", bringt Manfred Otto-Albrecht die Probleme aus Sicht der Betriebe auf den Punkt. Der Projektleiter sieht tagtäglich bei seiner Arbeit für das Unternehmens-Netzwerk INKLUSION, welche Barrieren es auch für Betriebe gibt, Menschen mit Behinderung einzustellen und zu fördern. Das Netzwerk biete Betrieben und Unternehmen die erforderliche Information, Beratung und Begleitung an für eine bessere, effektivere und betriebsnahe Zusammenarbeit mit dem Unterstützungssystem. Außerdem finden regelmäßig "Runde Tische" statt, um einen Erfahrungsaustausch wie auch ein Kennenlernen zwischen Unternehmen und verschiedenen Vertretern aus Integrationsämtern, der Agentur für Arbeit oder der Deutschen Rentenversicherung zu gewährleisten.
"Wir erfahren in den Betrieben, dass insbesondere kleine und mittlere Betriebe und Unternehmen, eine verlässliche Unterstützung benötigen, die nicht über immer wechselnde und zeitlich oder regional befristete Projekte erreicht werden kann. Diese Unterstützung muss strukturell, aber auch in ihrer Haltung und Kompetenz betriebsnah sein. Sie muss so flexibel organisiert sein, dass sie angemessen auf verändernde Bedarfe im betrieblichen Alltag reagieren kann und auch die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt und die daraus entstehenden neuen Anforderungen berücksichtigt."
Doch selbst, wenn man auf einen potentiellen Arbeitgeber trifft, der keine Vorurteile hat, seine Rechte kennt und man alle bürokratischen Hürden genommen hat, braucht man auch 2018 in Deutschland noch eines: Geduld. Und ein wenig Flexibilität: "Nicht nur der Arbeitgeber muss mitspielen, auch man selbst muss etwas kooperativ sein", so der angehende Tischler Völzmann.