Gaming accessibility: Der Weg in eine barrierefreie Spiele-Zukunft

Einmal im Jahr im August wird Köln zur internationalen Hauptstadt der Games-Branche. Im vorigen Jahr fand die Gamescom zum zehnten Mal in der Rheinmetropole statt. Das Motto "Vielfalt gewinnt" war dabei durchaus treffend gewählt. Denn die Branche wächst nicht nur rasant, die Zielgruppen werden ebenfalls immer diverser. Dass auch die Interessen von Menschen mit Behinderung vertreten werden, dafür möchte Melanie Eilert sorgen. Und um sich für mehr Barrierefreiheit in Games einzusetzen, ist Köln die richtige Stadt. Im CologneGameLab der TH Köln lernen beispielsweise die Spiele-Entwickler*innen von morgen. Der perfekte Ort also, um für mehr Awareness beim Nachwuchs zu sorgen.

Mit REHACARE.de sprach die Wahl-Rheinländerin über ihren Gastvortrag vor den Studierenden, wie es um die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung in Spielen bestellt ist und weshalb Games sehr wohl einen Anteil an Inklusion haben können.

Frau Eilert, Sie haben erst vor wenigen Wochen einen Vortrag zum Thema "Gaming accessibility and disability representation in media/games" vor Kölner Studierenden gehalten. Wie hat sich diese Möglichkeit ergeben?

Melanie Eilert: Ich hatte im Herbst über eine Veranstaltungsankündigung ganz zufällig gesehen, dass an der TH Köln/CologneGameLab "Digital Games" studiert werden kann. Da dachte ich mir: "Wenn direkt vor meiner Haustür zukünftige Entwickler*innen ausgebildet werden, sollten die unbedingt auf Probleme von Spieler*innen mit Behinderung hingewiesen werden". Ich habe kurzerhand die Studiengangsleitung kontaktiert, ob Interesse daran besteht, dass ich mal mit den Studierenden darüber rede und so ist das dann zu einem offiziellen Gastvortrag geworden.


Wie fällt Ihre Einschätzung zum Thema Repräsentation von Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheit in Spielen aus?

Eilert: Ich glaube, die Games-Branche hat – wie auch andere Medienformate – noch einiges in Sachen Vielfalt zu lernen. Allerdings werden unterrepräsentierte Gruppen immer sichtbarer, seien es zum Beispiel Frauen in Games oder auch Spieler*innen mit Behinderung. Mein Fazit im Vortrag war, dass sowohl bei Accessibility als auch Repräsentation noch ein langer Weg zu gehen ist. Die Accessibility hat allerdings schon ein paar gute erste Schritte geschafft.

Beim Thema Barrierefreiheit würden sich einige Nutzer mehr Engagement von den Entwicklerfirmen wünschen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Gamer*innen stetig wächst und auch sie früher oder später älter werden – warum wird gerade in "Mainstream"-Spielen die Barrierefreiheit nicht bedacht?

Eilert: Mit den Design- und Programmierprozessen von Games kenne ich mich leider nicht aus. Ich würde da gerne etwas mehr Hintergrund zu haben, um meine Wünsche und Kritiken fundierter an die Entwickler*innen herantragen zu können. Ich glaube, mangelnde Barrierefreiheit liegt an mangelndem Bewusstsein über mögliche Barrieren. Es ist daher unheimlich wichtig, immer wieder Rückmeldungen zu geben. Ich mache das mittlerweile recht intensiv. Kann ich ein Spiel nicht spielen, schildere ich meine Probleme per Mail. Bisher wurde darauf immer dankend geantwortet – meist mit dem Vermerk, dass "in Zukunft" darauf geachtet werden soll.

Welche Chancen bieten Games Menschen mit Behinderung in der virtuellen Welt, wo sie in der Realität aber ausgebremst werden?

Eilert: Games sind ein erheblicher Teil der Pop-Kultur. Im Gegensatz zu Konzert- oder Theaterbesuchen, die vielleicht aufgrund einer Behinderung nicht möglich sind, kann mit der richtigen Einrichtung sogar vom Bett aus gespielt werden. Es ist eine gute Möglichkeit, Freunde zu finden und zu treffen, etwas gemeinsam zu unternehmen – auch wenn man nicht aus dem Haus kann oder zumindest nicht, ohne sich fragen zu müssen, ob eine Location barrierefrei ist.

Wie auch im Schauspielbereich mehr Rollen für Schauspieler*innen mit Behinderung gefordert werden, fallen mir gerade nicht viele Charaktere in Games ein, die Menschen mit Behinderung abbilden oder die sogar als Role Model hergenommen werden können. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, ein Storyboard für ein Game beizusteuern, welchen Charakter würden Sie gern in einem Spiel steuern?

Eilert: Charaktere mit Behinderung sind in Games beinahe nicht vorhanden und wenn, dann meist sehr schlecht dargestellt – ohne Lebenswillen und leidend oder böser Antagonist. Nicht mal als unwichtige Statisten auf einer belebten Straße oder ähnlichem sind behinderte Charaktere sichtbar. Sollte jemand einen behinderten Charakter in sein Spiel schreiben wollen, wäre mir wichtig, dass dieser Charakter nicht aufgrund der Behinderung ins Spiel geschrieben wird. Im Verlauf des Spiels sollte es nicht darauf hinauslaufen, dass die Behinderung geheilt oder sonst wie entfernt wird. Es sollte einfach ein Charakter sein wie die anderen im Spiel auch.

Gab es in den vergangenen Jahren Beispiele, die als gutes Beispiel für eine Sensibilisierung für das Thema Inklusion dienen?

Eilert: Ich habe gerade heute zufällig entdeckt, dass das eSports-Team des VfB Stuttgart einen jungen Mann im Rollstuhl unter Vertrag hat (Niklas "Nik Lugi" Luginsland; Anm. d. Red.). Ich denke, dass die Fans des VfB beziehungsweise des eSports allgemein durch die Sichtbarkeit von Spieler*innen mit Behinderung einen Eindruck von Inklusion bekommen und dafür sensibilisiert werden können. (Mehr zum Thema E-Sports lesen Sie in unserem Interview mit ESBD-Präsident Hans Jagnow; Anm. d. Red.)

Gibt es Trends in der Branche, die Ihnen Mut für eine inklusivere Entwicklung machen oder die Sie eher negativ einschätzen?

Eilert: Definitiv ja! Ein bisschen von beidem. Ich habe schon das Gefühl, dass bei immer mehr Games auf Optionen geachtet wird, die es ermöglichen, das Spiel auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Microsoft hat mit seinem Xbox Adaptive Controller sicher auch einiges angestoßen. Meine Erfahrung aus Kontakten mit Entwicklern oder auch den Studierenden gibt mir den Eindruck, dass auf jeden Fall gewollt ist, so inklusiv wie möglich zu sein. Sorgen macht mir der wachsende Trend um Virtual Reality/Augmented Reality. Die bestehenden Barrieren werden in diesem Bereich noch um einige weitere ergänzt. Es sollte dringend jetzt schon am Abbau von Barrieren gearbeitet werden, solange die Technik noch in den Kinderschuhen steckt. Bei einem neuen Haus ist es auch besser, den Aufzug direkt einzubauen und nicht erst einige Jahre nach Fertigstellung.

Wie sind Ihre Pläne in Sachen Gaming Accessibility in nächster Zeit?

Eilert: Ich möchte auf jeden Fall aktiver und präsenter werden und mich stark für Inklusion im Gaming einsetzen. Mit meinen Artikeln für die Gamescom und GamePro sowie dem Vortrag an der TH Köln/CologneGameLab bin ich die ersten Schritte gegangen. Nun versuche ich, den Weg weiter zu verfolgen und die richtigen Kontakte dafür zu knüpfen.