Dem stimmt auch Alejandro Moledo zu. Er ist Policy Coordinator beim European Disability Forum (EDF) und selbst sehbehindert. Früher benötigte er eine spezielle Software, um den Bildschirm an seinem Computer zu vergrößern. Diese Lupen-Option ist mittlerweile standardmäßig im Betriebssystem jedes handelsüblichen Computers enthalten. Und anstatt, ein Fernglas in der Tasche zu haben, kann er jetzt seine Smartphone-Kamera benutzen, wenn er etwas sehen möchte, das weit entfernt ist. "Wir sehen diesen Trend in der Mainstream-Technologie, die nun barrierefreier geworden ist und damit ein entsprechendes technisches Hilfsmittel ersetzen kann", sagt Moledo. „Dennoch werden bestimmte Hilfsmittel weiterhin eine entscheidende Rolle für das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderung spielen."
Für die Teilhabe an verschiedenen Aspekten der sozialen Gemeinschaft ist es wichtig, Barrierefreiheit zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung Zugang zu der für sie am besten geeigneten unterstützenden (assistiven) Technologie haben. Aber genau in diesem Punkt sieht Moledo ein Problem in Europa, da es unterschiedliche Versorgungssysteme für (technische) Hilfsmittel gibt: "Wir haben keinen echten Markt für assistive Technologien in Europa, denn das Versorgungssystem teilt Ihnen möglicherweise mit: 'Ok, wir können Ihnen nur den Kauf von Hilfsmitteln auf dieser speziellen Liste finanzieren beziehungsweise unterstützen, und keine anderen.' Sie können also nicht sagen, dass Sie beispielsweise einen Rollstuhl von einem schwedischen Anbieter gesehen haben, und dass dieser genau Ihre Bedürfnisse erfüllt, weil das nationale Versorgungssystem für Hilfsmittel es ihnen nicht erlaubt, diesen Rollstuhl zu kaufen. Es fehlt also an Auswahlmöglichkeiten. Und das widerspricht damit der eigentlichen Mission der EU, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu haben." Moledo und die anderen Mitglieder des EDF sind der Ansicht, dass sich die EU damit in Zukunft beschäftigen könnte und sollte.
Da (technische) Hilfsmittel eine entscheidende Rolle spielen, müssen sie auch von hoher Qualität und für die Benutzer*innen bezahlbar sein. Daher müssen diese auf eine personenzentrierte Unterstützung zählen können. Moledo möchte, dass die Verantwortlichen den Kontext verstehen, in dem die jeweilige Person lebt, die Erwartungen dieser berücksichtigen und verstehen, was sie erreichen will.
"Die Branche muss sich weiterentwickeln. Ich weiß, dass der europäische Markt für assistive Technologien stark von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert wird. Wenn es allerdings um Hörgeräte oder Cochlea-Implantate geht, gibt es im Prinzip nur drei oder vier Unternehmen auf dem Markt", sagt Modelo. "Und offensichtlich treibt die mangelnde Auswahl an Anbietern die Preise für die Verbraucher*innen in die Höhe. Das wäre also ein Aspekt, den sich die Branche einmal anschauen sollte. Aber ich denke auch, dass davon Einiges aus dem öffentlichen Bereich kommt. Deswegen sollten die politischen Entscheidungsträger auch diesen Markt im Auge haben und versuchen, ihn zu verbessern."