Die Suche nach dem passenden Arbeitsplatz ist für Menschen mit Behinderungen oft mit zusätzlichen Hindernissen verbunden. Auf der REHACARE 2022 werden im Themenpark „Menschen mit Behinderung und Beruf“ in Halle 6 Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten sowie Ideen für die Umgestaltung des Arbeitsplatzes diskutiert und vorgestellt. Neu ist der Einsatz von Exoskeletten beim Heben und Tragen schwerer Gegenstände.
Menschen mit einer Behinderung haben es nicht leicht, den passenden Arbeitsplatz zu finden. Laut aktuellen Zahlen der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes (November 2021) lag die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen 2020 bei 11,8 Prozent – im Vergleich dazu waren 5,9 Prozent Menschen ohne Behinderung arbeitslos. Expertinnen und Experten beschäftigen sich auf der REHACARE 2022 mit zentralen Fragen, um diese Situation zu verbessern: Wie kann der Arbeitsplatz so eingerichtet werden, dass beispielsweise ein Mensch mit einer Sehbeeinträchtigung seine Aufgaben gut erfüllen kann? Welche Möglichkeiten gibt es, jemanden bei der Arbeit zu unterstützen, der im Rollstuhl sitzt? Ist es möglich, Jobs zu erleichtern, in denen schwere Gegenstände getragen werden müssen – etwa durch die technische Hilfe von Assistenzrobotern oder durch ein so genanntes Exoskelett?
Exoskelette in beruflicher Rehabilitation
Der Themenpark „Menschen mit Behinderung und Beruf“, in der Nähe des Treffpunkts REHACARE in Halle 6, wird in diesem Jahr ergänzt durch einen Exoskelett Park. Ein Exoskelett ist quasi ein mechanisches Gerüst, das am Körper angebracht wird, um ihn zu unterstützen. „In der Industrie werden Exoskelette bereits zur Vorbeugung von Rückenbeschwerden eingesetzt. Aktuell diskutieren wir, ob und wie sie in der beruflichen Rehabilitation genutzt werden können – also etwa für Menschen, die nach einem Unfall durch eine Amputation oder eine Querschnittslähmung eingeschränkt sind“, sagt Dr. Urs Schneider, Abteilungsleiter Menschtechnik Interaktion beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart. Er ist maßgeblich an der Organisation des Exoskelett Parks und eines begleitenden Programms mit Vorträgen und Diskussionen beteiligt. Partner sind der Landschaftsverband Rheinland LVR, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Wearable Robotics Association WEARRA sowie die Deutsche Stiftung Querschnittslähmung (DSQ).
Im Themenpark können Besucher testen, ob und wie Exoskelette Erleichterung für Rücken, Hand oder Ellenbogen bringen. Dafür wird ein Arbeitsplatz eingerichtet, an dem Kisten mit Briefen und Päckchen gestemmt werden müssen. An einem zweiten, rollstuhlgerecht eingerichteten Arbeitsplatz gibt es entsprechende technische Hilfsmittel zu sehen. „Das Ziel ist: Reha vor Rente. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen nach einem Unfall oder einer Verletzung überwiegend in ihren Beruf zurückkehren und nicht umgeschult werden möchten. Ein Exoskelett kann dies ermöglichen“, erläutert Dr. Urs Schneider.
Inklusionsämter informieren über Unterstützung
Wie technische Hilfsmittel in der Praxis eingesetzt werden können, das ist auch ein wichtiges Thema bei der Beratung am Gemeinschaftsstand der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe. Petra Wallmann vom Inklusionsamt Arbeit des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), (Halle 6, Stand D17): „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch die Integrationsfachdienste und Kammerberater und -beraterinnen geben aber darüber hinaus weitere Auskünfte - zum Beispiel zum Kündigungsschutz, zur Eingliederungshilfe oder zum Übergang von der Schule in den Beruf und in den allgemeinen Arbeitsmarkt.“
Rehasport, Hilfsmittel und häusliche Pflege
Am Gemeinschaftsstand der Unfallversicherungsträger unter dem Dach der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Halle 6, Stand D23 spielt der Rehasport eine große Rolle. Die Spezialistinnen und Spezialisten beantworten Fragen wie etwa „Wie erhalte ich eine Verordnung zum Rehasport? Wo kann ich Rehasport machen?“ und stellen Best Practice-Beispiele vor. DGUV-Standverantwortliche Karin Schwarz: „Die Profis vom Deutschen Rollstuhlsportverband (DRS) zeigen verschiedene Sportarten wie Tischtennis, Rollstuhl-Tennis, Rollstuhl-Tanzen, Para-Eishockey oder auch Zumba und fordern zum Mitmachen auf.“ Ausprobieren lässt sich auch die 60 Quadratmeter große, inklusive Carrerabahn der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW): Die Autos können bei Bedarf ebenso mithilfe der Augen oder Füße gelenkt werden.
Was nach einem Unfall im Beruf wichtig ist, welche Hilfsmittel und Entlastungsmöglichkeiten es gibt, darüber informieren die Expertinnen und Experten der Berufsgenossenschaft (BG) Bau. Die Mitarbeitenden der Unfallkasse (UK) NRW nehmen die häusliche Pflege in den Blick und ihre Kolleginnen und Kollegen der SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) demonstrieren, wie das richtige Umlagern vom Bett in den Rollstuhl funktionieren kann. „Am Modell eines Reha-Hauses könne sich die Besucher bei der Berufsgenossenschaft (BG) Holz und Metall darüber informieren, wie sich das Wohnumfeld im Badezimmer oder mithilfe eines Aufzugs statt einer Treppe barrierefrei gestalten lässt“, kündigt Karin Schwarz von der DGUV an.
Schwerbehindertenvertretungen:
Seit 102 Jahren im Einsatz gegen Hürden im Job
Ein Jubiläum wird – verschoben durch die Pandemie – auf der REHACARE 2022 gefeiert: Seit 102 Jahren sorgen Schwerbehindertenvertretungen dafür, dass in Unternehmen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden.
„Sie können so viel für die Beschäftigten in den Unternehmen bewirken – in der Prävention, damit folgenschwere Beeinträchtigungen gar nicht erst entstehen, ebenso wie bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen.“ So beschreibt Christoph Beyer die Rolle von Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben. Als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) beteiligt er sich an der Organisation des Jubiläums „102 Jahre Schwerbehindertenvertretungen“, das im Themenpark „Menschen mit Behinderung und Beruf“ in Halle 6 bei der REHACARE 2022 gefeiert wird – verschoben durch die Pandemie.
Arbeitgeber engagieren sich zunehmend
Eine Timeline zeigt während der Messe wichtige Meilensteine in der Geschichte der Schwerbehindertenvertretungen, zu denen die kontinuierliche Stärkung durch die Sozialgesetzgebung (2001) und das Bundesteilhabegesetz (2016/2017) zählen. „Aktuell verfolgen wir, dass sich die Arbeitgeber als Folge des Arbeitskräftemangels immer mehr darum bemühen, Menschen mit Behinderungen nicht nur einzustellen, sondern sie auch so lange wie möglich zu beschäftigen“, erklärt Christoph Beyer.
Die Inklusionsämter helfen dabei auf unterschiedlichen Wegen: Sie schulen einerseits die Schwerbehindertenvertretungen für ihre Aufgaben und arbeiten andererseits direkt mit den Arbeitgebern zusammen: „So haben wir zum Beispiel die Mitarbeitenden mit Seh-Einschränkung der Oberfinanzdirektion in Nordrhein-Westfalen dabei unterstützt, sich in einer neuen, barrierefreien Software weiterzubilden“, sagt Experte Beyer. Insgesamt geht es nach seinen Worten darum, so gut wie möglich mit der technischen und digitalen Entwicklung Schritt zu halten und die Chancen für die Inklusion am Arbeitsplatz zu nutzen. „Bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung spielt das Geld meist keine entscheidende Rolle – die Arbeitgeber möchten eine Begleitung und Ansprechpartner, falls Fragen auftauchen.“ Das könne beispielsweise ein Job-Coach sein, der im Auftrag des Inklusionsamtes mit den Firmen und den Schwerbehindertenvertretungen zusammenarbeitet. Seit Anfang 2022 gibt zudem ein neues Beratungsangebot – die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, die über das Teilhabestärkungsgesetz geschaffen wurden.
Informationen zur Barrierefreiheit im Job
Wird eine barrierefreie Arbeitsstätte eingerichtet, dann gelten bauordnungsrechtliche Vorgaben und die Arbeitsstättenverordnung. Darüber informiert die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in ihrem Sachgebiet Barrierefreie Arbeitsgestaltung: https://www.dguv.de/barrierefrei.
Auskünfte zum Thema Barrierefreiheit gibt auf den Internetseiten der Bundesfachstelle Barrierefreiheit www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de. Dort finden sich auch aktuelle Angaben zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Es besagt, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen ab Ende Juni 2025 barrierefrei sein müssen. Das gilt beispielsweise für Computer und Smartphones, aber auch für Telefondienste und E-Books.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) setzt sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an einem inklusiven Arbeitsmarkt ein – sowie für die Unterstützung von Menschen, die etwa durch einen Unfall einen Gesundheitsschaden erlitten haben. Mehr Informationen, auch zu den Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, gibt es unter www.bih.de. Die Einheitlichen Ansprechstellen werden auch in einem Podcast der „Aktion Mensch“ vorgestellt: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/arbeit/unterstuetzung-foerderung/podcast-beyer
Düsseldorf, 10. August 2022