Wann haben Sie das letzte Mal herzhaft gelacht und worüber?
Boris Guentel: Vor ein paar Tagen noch, als unser Siam-Kater energisch den Augenkontakt suchte, eine Unterhaltung anfing und dabei zwischendurch immer wieder annähernd menschliche Laute von sich gab. Einfach göttlich, wenn man sich angeregt unterhält, den anderen nicht immer versteht und am Ende trotzdem alle glücklich und zufrieden sind.
Was wollten Sie schon immer einmal machen und warum haben Sie sich bisher nicht getraut?
Boris Guentel: Mein großer Wunsch vor dem Unfall war es, mein Traumland Norwegen einmal komplett zu Fuß zu umrunden. 1993 kam der Unfall dazwischen und so blieb es leider nur ein Traum. Als Alternative habe ich mir kürzlich die Umrundung von Dänemark auf meinen Plan geschrieben. Mit meinem Handbike möchte ich ohne Zeitdruck Land und Leute näher kennenlernen. Zuvor müssen mein Handbike und ich aber noch ein, zwei andere große Herausforderungen meistern. Die nächste schon Pfingsten 2017, wenn es über 1.000 Kilometer nonstop gehen soll.
Welcher Mensch hat Sie bisher am meisten beeinflusst? Und warum?
Boris Guentel: Ohne Zweifel: das war in jungen Jahren mein Kampfsportlehrer. Hauptsächlich durch ihn habe ich gelernt, was wirklich wichtig ist. Nämlich niemals aufzugeben, auch wenn ein Ziel unerreichbar zu sein oder eine Situation unlösbar scheint. Sich auf den Weg zu machen, an sich und seine Fähigkeiten zu glauben und sich nicht von anderen vorschreiben zu lassen, was man kann oder nicht. Diese verinnerlichten Grundsätze haben mich schon oft über mich hinauswachsen lassen und am Ende an mein Ziel geführt.
Leider lebt mein "Sensei" (japanisch für Lehrer) nicht mehr, sodass ich ihn vor schweren Entscheidungen nicht mehr persönlich um Rat fragen kann. Es gibt allerdings Momente, in denen ich die Augen schließe und trotzdem mit ihm spreche – wenn ich die Augen wieder öffne, dann weiß ich, was ich zu tun habe.
Sie haben die Chance Bundesbehindertenbeauftragte zu werden. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Boris Guentel: Wie bisher würde ich mich weiterhin für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen. Allerdings hätte ich dann wohl eher die Möglichkeit, mit so manchem hochrangigen Politiker in Einzelgesprächen Tacheles zu reden und ihn nach den Gründen der nur zögerlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu fragen. Im Grunde genommen ist es beschämend, was sich unser Land herausnimmt. Viele scheinen zu vergessen, dass ausnahmslos jeder von einem Moment zum anderen zu einem Menschen mit Behinderung werden kann. Da reicht es schon aus, zum Beispiel eine Treppenstufe zu verpassen, einen Schlaganfall zu erleiden oder einen unverschuldeten Verkehrsunfall zu haben. Jeder kann der Nächste sein, der auf einen barrierefreien Alltag angewiesen ist.
Als ehemaliger kommunaler Beirat für Menschen mit Behinderung, habe ich gute Erfahrung damit gemacht, Menschen ohne Behinderung in einen Rollstuhl zu setzen und sie für ein paar Stunden die Perspektive wechseln zu lassen. Diese praktische Erfahrung hat bei vielen Leuten zum Abbau von Barrieren im Kopf geführt und sie in zukünftigen Entscheidungen beeinflusst. Solche Exkursionen müssten besonders für Politik und Verwaltung mit allen Konsequenzen zum Pflichtprogramm gehören. Ich bin mir sicher, dass wir Betroffenen dann nicht mehr so endlos um Verständnis und die Umsetzung der Konvention betteln müssten.