Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Raul Krauthausen: Jetzt gerade im Bereich der Inklusion liegt mir immer mehr am Herzen und ist auch ein Punkt, der mich zunehmend ungeduldig werden lässt (um es mal diplomatisch auszudrücken), dass ständig nicht-behinderte Menschen über Inklusion reden. Und darüber, was sie ermöglicht, was sie alles kann und was sie eben aber auch alles nicht kann. Vor allem das. Wo die Grenzen der Inklusion liegen, wird fast immer von Nichtbehinderten definiert. Es werden super selten auch Leute angehört, die entweder selber Inklusion erlebt haben - und dabei müssen die noch nicht mal selber eine Behinderung haben - sondern die sie durchlebt haben, also in einer Schule zum Beispiel. Aber vor allem, wenn es darum geht, was behinderte Menschen dürfen, sollte man immer auch Menschen mit Behinderung anhören und nicht immer nur die Pädagogen, Ärzte, Politiker und Eltern.
Ich wäre gern einmal...
Raul Krauthausen: ... in den Schuhen eines Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin, um herauszufinden und zu gucken, wo weitere Einflussmöglichkeiten für Minderheiten in unserer Gesellschaft wären - und wie es dazu kommen kann, dass das Gefühl entsteht, dass die Politik sich von der Bevölkerung zunehmend entfernt. Das müsste aber von Jetzt auf Gleich passieren. Wenn du diesen ewigen Weg gehst, Bundeskanzler zu werden und 30 Jahre Politik machst, dann bekommst du die Entfremdung wahrscheinlich gar nicht mit. Wenn ich jetzt aber selbst mal für heute oder morgen reingucken könnte, könnte man es vielleicht eher sehen.
Auf welche Frage wünschen Sie sich gern eine Antwort?
Raul Krauthausen: Warum Menschen, die nicht betroffen sind, glauben, das Mandat zu haben, zu beurteilen, was anderen Menschen zusteht. Warum dürfen Pädagog*innen einer Grundschule sagen, dass behinderte Schüler nicht in unsere Schule oder Klasse dürfen? Was ist ihr Mandat eigentlich? Das würde ich jetzt auch beispielsweise bei Veganern sagen. Also wenn die Politik wirklich Inklusion will, was man ja auch manchmal anzweifeln kann, dann hat ein Lehrer eigentlich nichts zu melden. Wenn ein Autohersteller-Vorstand will, dass plötzlich Sportautos gebaut werden sollen, dann haben deren Fließbandarbeiter das auch zu machen. Wenn der aber lieber Postkutschen baut, wird er den Job nicht mehr lange haben. Das heißt: Ein Lehrer ist ein Angestellter des Staates und hat in dem Zusammenhang dann auch die Arbeit zu erledigen. Woher kommt es, dass Menschen sich das Recht herausnehmen zu sagen: "Nee, bei uns aber nicht." Das will ich herausfinden.
Was ich noch sagen wollte...
Raul Krauthausen: Wir Menschen mit Behinderung sollten uns von niemandem sagen lassen, was wir dürfen, was wir nicht dürfen, was wir können, was wir nicht können - außer von uns selbst! Und wir müssen den Menschen ohne Behinderung klar machen, dass auch sie ein Recht darauf haben, mit uns zusammen zu leben. Und dass es nicht nur immer darum geht, dass wir als Minderheit mitmachen wollen, sondern dass vielleicht auch der Mehrheit etwas entgeht!