"TiPY ermöglicht für eine Hand das Gleiche wie die Standard-Tastatur für zwei Hände"

Microsoft hat es vorgemacht und einen barrierefreien Controller gelaunched, um auch Menschen mit einer körperlichen Behinderung das Spielerlebnis fast vollumfänglich ebenso zu ermöglichen wie Menschen ohne Behinderung. Ähnliches hat Mattheaus Drory geschafft. Allerdings hatte er in erster Linie gar nicht unbedingt Menschen mit Behinderung als Zielgruppe im Sinn, als er eine Einhandtastatur entwickelte, wie er im Interview mit REHACARE.de verrät.

Nach drei Jahren Tüftelei ist eine produktionsreife Tastatur herausgekommen, die mit links wie rechts, aber stets lediglich mit einer Hand bedient werden kann. Die ersten 1.000 Stück sind ab November 2018 für 160 € erhältlich.

Herr Drory, wie sind Sie auf die Idee mit der Einhandtastatur gekommen?

Mattheaus Drory: Ich denke, dass die besten Ideen aus Eigenbedarf entstehen. Ich verwende Computer schon seit meiner Kindheit und war mit den aktuellen Standard-Tastaturen nie glücklich. Als ich vor drei Jahren damit anfing an einer Lösung zu arbeiten, traf ich auf Menschen mit körperlichen Hand- und Arm-Einschränkungen. Die Anzahl von betroffenen Personen ist erschreckend hoch und diese Erkenntnis machte TiPY zu meiner Hauptaufgabe. Es gibt eine große Nachfrage und zwar nach einem durchdachten neuen Konzept, welches tatsächlich eine komplette Lösung der Computereingabe bietet.



Welche Vorteile bringt TiPY dem Nutzer?

Drory: TiPY kann alles, was eine Standard-Tastatur auch kann, und noch mehr. Aber sie ist auf die Bedienung mit nur einer Hand zugeschnitten. Ob man Texte schreibt, Formatierungen und Tabellen bearbeitet oder Programme mit unzähligen Tastenkombinationen – das alles funktioniert mit TiPY und einer Hand.

Wir sind von der Physik her begrenzt, was die Tippgeschwindigkeit angeht. Man kann nur eine Taste nach der anderen drücken. TiPY hat nun den Anspruch für eine Hand das Gleiche zu können wie die normale Standard-Tastatur für zwei Hände. Und ja, das geht.

Durch TiPY kann man tippen und gleichzeitig die Maus bedienen sowie andere optionale Geräte, wie beispielsweise Digi Pens oder andere digitale Eingabegeräte. Bei einer bisherigen Standard-Tastatur musste man immer wieder die Hand von der Tastatur nehmen und verliert bei allen Arbeitsschritten Zeit.

Dazu kommt noch, dass TiPY die erste Tastatur ist, die mit links und/oder rechts verwendet werden kann.

Mit der neuen Tastenbelegung ist es außerdem erstmalig möglich, dass auf ein- und derselben Tastatur direkt zwölf Sprachen eingegeben werden können. TiPY schreibt fließend dänisch, deutsch, englisch, finnisch, französisch, isländisch, italienisch, niederländisch, norwegisch, portugiesisch, schwedisch und spanisch.

Haben Sie in der Entwicklungsphase von TiPY mit Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet oder haben Sie Test-Feedback von solchen bekommen, bevor die Tastatur im November auf den Markt kommt?

Drory: Ja, das habe ich. Aber TiPY ist in erster Linie eine Tastatur für eine Hand. Ob sie von einer Person verwendet wird, die beide Hände nutzen kann, einer Person, die einen Schlaganfall erlitten oder eine körperliche Behinderung hat, oder womöglich nur temporär mit einer Hand die Tastatur bedienen kann, weil sie einen gebrochenen Arm hat – die Verwendung, die Herausforderungen und der Nutzen für eine solche Tastatur sind immer gleich und TiPY erfüllt diese.

TiPY wurde ausgiebig getestet sowie erprobt und bereits einem breiteren Publikum vorgeführt. Der Österreichische Behindertenrat hat TiPY bei der jährlichen Preisausschreibung UNIQATE prämiert und ausgezeichnet. Und auch auf Messen habe ich mit TiPY bereits tolles Feedback bekommen. Im nächsten Jahr soll dann auch die REHACARE folgen.

Was bedeutet für Sie Inklusion?

Drory: Der Begriff Inklusion bedeutet leider, dass es eine Exklusion gibt. Das dürfte zwar nicht so sein, aber ich selbst war mir bis zu meinen Recherchen für TiPY und dem Kontakt zum Österreichischen Behindertenrat darüber gar nicht so bewusst. Leider ist es oft so, dass man etwas erst dann wahrnimmt, wenn man damit in Kontakt kommt. Kommunikation ist dabei ein zentrales Thema. Barrierefreies Arbeiten, Leben und Kommunizieren am Computer kann helfen, die Inklusion zu verbessern. Speziell für körperlich betroffene Menschen gibt es unzählige großartige Möglichkeiten, im Beruf oder im Alltag durch Digitalisierung zu partizipieren. TiPY kann dabei helfen – schließlich ist der Computer das Werkzeug unserer Zeit.