Tourism for All: "Beim Reisen geht es nicht nur um bloßen barrierefreien Zugang"
Tourism for All: "Beim Reisen geht es nicht nur um bloßen barrierefreien Zugang"
Nachgefragt bei Ana Crome, Verwaltungsleiterin bei Tourism for All
19.07.2018
Tourismus ist für jedermann. Ziel der britischen Organisation Tourism for All ist es, Reisen barrierefrei zu machen. Ob Reisende, Politiker oder Unternehmen, Tourism for All möchte auf allen Ebenen Veränderungen schaffen. REHACARE.de hat nachgefragt, was der europäische Tourismusmarkt zu bieten hat und wie sich die Einstellung der Branche gegenüber Menschen mit Behinderungen verändert hat.
Mit dem Leitspruch "Tourismus ist für alle da" will sich die Organisation Tourism for All dafür einsetzen, dass sich der Reisemarkt für Menschen mit Behinderung öffnet und Reisen somit für alle problemlos möglich werden.
Tourism for All ist kein Reisebüro im klassischen Sinne. Was genau bietet Tourism for All für Menschen mit Behinderung an, wenn es um das Thema Reisen geht?
Ana Crome: Wir von Tourism For All helfen behinderten Menschen individuell, eine Reise zu planen. Das Wort "behindert" umfasst für uns ein breites Spektrum. Ganz egal welche Schwierigkeiten eine Einzelperson hat – ob Lernschwäche oder eine körperliche Beeinträchtigung –, wir können helfen.
Wir bieten unseren behinderten Mitgliedern einen individuell angepassten Informations- und Beratungsservice an. Die Mitglieder nennen uns ihre Bedürfnisse für ihren Urlaub und wir erledigen dann die ganze Recherche. Wir helfen anschließend auch bei der Buchung.
Bei Tourism for All geht es nicht nur darum, einzelnen Personen bei der Buchung ihrer Traumreisen zu unterstützen. Sie bieten ihre Hilfe auch Reise- und Tourismusunternehmen an, um einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Und Sie fördern gleichzeitig auch die Entwicklung und Bereitstellung barrierefreier Reiseangebote. Das ist eine Menge Arbeit. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisher Erreichten von Tourism for All?
Crome: Man kann niemals voll zufrieden sein, wenn Menschen immer noch Probleme bei der Planung und Durchführung von Reisen oder Erholungsurlauben haben. Trotzdem sehen wir sowohl bei den Unternehmen als auch bei den politischen Entscheidungsträgern einen bedeutenden Umbruch in ihrer Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung und Tourismus. Uns ist klar, dass wir eine bedeutende Rolle bei diesem Wandel gespielt haben. Allerdings liegt bis zur Gleichstellung in diesen Bereichen noch ein weiter Weg vor uns.
Tourism for All geht es nicht nur darum, dass physische Barrierefreiheit geleistet wird, sondern dass sich etwas in den Köpfen der Politiker und Unternehmen, die im Tourismusbereich zuständig sind, ändert.
Wenn wir über die Barrierefreiheit im Tourismus sprechen, haben wir den Eindruck, dass sich der Bereich für Menschen mit Behinderung mittlerweile geöffnet hat – in manchen Ländern mehr als in anderen. Wie steht es um den europäischen Markt in Sachen Barrierefreiheit?
Crome: Es ist immer noch eine bunte Mischung, bei der einige Länder deutlich voraus sind. Aber es gibt mittlerweile Mindeststandards in Bezug auf Reisen und die Anzahl der barrierefreien Hotels und Einrichtungen nimmt stetig zu. Allerdings ist das alles immer noch sehr lückenhaft und verlangt von Organisationen wie uns und insbesondere von Ländern nationale Tourismusorganisationen, um weiterhin wichtige Informationen und Hilfe bereitzustellen.
Was bedeutet für Sie Inklusion?
Crome: Dass Unternehmen offen für die Bedürfnisse der Menschen in Bezug auf Reisen und Tourismus sind und ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechend ihre Unterstützung anbieten und flexibel genug sind, um den Bedürfnissen dieser Reisenden gerecht zu werden. Angemessene Vorkehrungen sind der Schlüssel zum Erfolg und das bezieht sich nicht unbedingt auf den Zugang zur physischen Umwelt, sondern eher auf eine Offenheit und Bereitschaft, anderen zu helfen und nachzufragen, wie eine Organisation dabei helfen kann. Durch die einfache Anwendung der Regeln für guten Kundenservice und dem Eingehen auf den Kunden sowie einer flexiblen Anpassung an diese Bedürfnisse kann bereits ein großer Teil an Inklusion innerhalb der derzeitigen Strukturen und Systeme erreicht werden.
Egal ob Prominenter, Experte oder Betroffener – in unserer Nachgefragt-Rubrik kommen sie alle zu Wort. Und sie haben eine Menge interessanter Dinge zu erzählen. REHACARE.de spricht mit ihnen über aktuelle Themen aus Politik, Freizeit und Lifestyle.