Rehabilitation während der Corona-Krise: Kliniken bleiben flexibel
Rehabilitation während der Corona-Krise: Kliniken bleiben flexibel
04/06/2020
Mund-Nasen-Schutz und möglichst viel Abstand – wenn der persönliche Kontakt nur mit Einschränkungen und Schutzmaßnahmen möglich ist, dann ist eine rehabilitative Versorgung schwierig. Wie gingen und gehen also aktuell Rehabilitationskliniken mit der Corona-Pandemie um?
Rehabilitation für Kinder und Jugendliche lebt vor allem vom persönlichen Miteinander – beispieslweise in einer Reha-Klinik. Die Corona-Pandemie bringt daher viele neue Herausforderungen für die Branche mit sich.
Es ist nach wie vor das Gebot der Stunde: zu Hause bleiben und die Sozialkontakte so weit wie möglich einschränken. Dies gilt besonders für die sogenannte Risikogruppe. Während gemeinhin häufig vor allem von alten Menschen die Rede ist, fällt dabei schnell unter den Tisch, dass auch Menschen jeden Alters mit verschiedenen Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen dazu gehören – also ebenfalls Kinder und Jugendliche. Doch was ist, wenn diese gerade Rehabilitationsmaßnahmen benötigen?
Corona-Pandemie beeinflusst Betrieb der Rehabilitationskliniken
"Je mehr die Bedrohung durch das Coronavirus bekannt wurde, desto stärker reagierten die Betroffenen und Familien", weiß Alwin Baumann, Sprecher vom Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V., zu berichten. "War die Zahl der Anträge zur Rehabilitation bis Februar seit Jahren Monat für Monat angestiegen, ging sie im März um ein Drittel und im April um über die Hälfte zurück. Die Besucherzahlen auf der Homepage des Bündnisses sanken von über 25.000 im Januar auf 5.000 im April. Seither steigen die Zahlen wieder und es geht jetzt vor allem darum, wann und unter welchen Bedingungen die Kliniken wieder Patient*innen aufnehmen."
Denn mit der Entscheidung der Politik, das öffentliche und berufliche Leben einzuschränken und nur noch nicht aufschiebbare, medizinische Behandlungen in Kliniken durchzuführen, hatten die Rehabilitationskliniken in Deutschland ab Mitte März nur noch Patient*innen aufgenommen, deren Rehabilitation sofort zwingend erforderlich war. Außerdem erklärten sich viele Einrichtungen bereit, ihre Klinik und ihr Personal für die Pandemiebetreuung zur Verfügung zu stellen. "Das Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V. beteiligte sich an der politischen Entwicklung der Schutzschilde und unterstützte die Rehakliniken bei der Beantragung der finanziellen Mittel zur Sicherstellung der Kliniken", berichtet Baumann.
"Mit der Wiedereröffnung der Kliniken geht es um die Information der Öffentlichkeit und Fachleute darüber sowie um eine Marketing-Offensive, um auf die Möglichkeiten der Kinder- und Jugendreha aufmerksam zu machen", sagt Alwin Baumann vom Bündnis Kinder- und Jugendreha.
Doch nun kommt so langsam wieder Bewegung in die Branche: Denn seit Ende Mai beziehungsweise Anfang Juni dürfen Reha-Einrichtungen nun auch wieder Kinder und Jugendliche aufnehmen. Dabei ist es natürlich oberstes Gebot, das Infektionsrisiko bei Patient*innen und Begleitpersonen sowie Mitarbeitenden möglichst klein zu halten. Daher haben die Kliniken auf Grundlage der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Rehabilitation und Prävention e.V. (DGpRP) ein umfangreiches Hygienekonzept erstellt. Für die Entwicklung und die laufende Anpassung des Hygienekonzeptes sind die ärztliche und kaufmännische Leitung in Zusammenarbeit mit dem Hygienebeauftragten, dem Betriebsrat und den wichtigsten Bereichsleitungen verantwortlich. Außerdem wird das örtlich zuständige Gesundheitsamt von Anfang an einbezogen. "Die Kliniken legen fest, wie viele Patient*innen mit welchen Erkrankungen, in welchem Alter und mit wie vielen Begleitpersonen aufgenommen werden", sagt Baumann. "Die Terminabstimmung erfolgt telefonisch und mit einer schriftlichen Befragung zur Gesundheits- und Kontaktsituation. Die Hygienemaßnahmen und das Abstandsgebot gelten bei allen Angeboten, beim Essen und in der Freizeit. Die Mitarbeiter*innen tragen Mundschutzmasken."
Mit digitalen Angeboten durch die Corona-Krise
Aber was wird aus den Überbrückungslösungen, die einige Kliniken teils recht spontan aus dem Boden gestampft hatten? Das ADELI Medical Center in der Slowakei ist beispielsweise auf intensive Neurorehabilitation spezialisiert und empfängt in der Regel zahlreiche Patient*innen aus mehr als 30 Ländern. Doch aktuell (Stand Ende Mai 2020) ist das internationale Rehabilitationszentrum noch geschlossen. Seit Mitte März ist die Neurorehabilitation ausgesetzt. Deswegen ermutigt das Klinikteam über die sozialen Netzwerke seine großen und auch kleinen Rehabilitand*innen dazu, sich online zu vernetzen und gegenseitig mit Videos von den persönlichen Trainingserfolgen zu Hause zu motivieren. Diesem Aufruf kommen vor allem auf Facebook viele nach. Außerdem ist auf dem Instagram-Kanal des Rehazentrums zu sehen, dass sie sowohl Online-Beratung als auch therapeutische Maßnahmen anbieten, wie etwa kindgerechte Sprachtherapie per Videotelefonie und mit Unterstützung einer Handpuppe.
Motivationsfördernd und krisenfest – Gamification ist einer der Trends in der Rehabilitation von heute.
"Die Corona-Krise zwang viele Kliniken und auch Verbände zu digitalen Angeboten, zu einem digitalen Austausch sowie zu Homeoffice-Angeboten für Mitarbeitende", bestätigt Baumann auch für den deutschsprachigen Raum. Nach anfänglichen Problemen wegen fehlender Hardware und mangelnder Erfahrung bei der Nutzung hätten sich dann mehr und mehr die Vorteile der Online-Kommunikation gezeigt. "Vieles davon wird auch nach der Pandemie bleiben, auch wenn die therapeutischen Gespräche insbesondere mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen und ihren Familien auf der Präsenzebene bleiben werden."
Die belgische RehaklinikTRAINM neuro rehab clinic durfte bereits Anfang Mai nach sechs Wochen Schließung wieder öffnen. Direkt am Eingang wird seitdem darauf hingewiesen, Masken zu tragen und sich als Angehörige beispielsweise nicht zu lange aufzuhalten und zu warten, sondern die Patient*innen einfach abzusetzen oder abzuholen und wieder zu gehen – entsprechend den allgemeinen Richtlinien zu wenigen Sozialkontakten und der Vermeidung von Menschenansammlungen. Die Rehabilitationsmaßnahmen selbst finden natürlich ebenfalls mit Schutzmasken und unter strengen Hygienemaßnahmen statt.
Auch wenn das Coronavirus vermutlich viele Bereiche unseres Lebens nachhaltig verändern wird, kehrt nach und nach immer mehr so etwas wie Normalität ein – eine neue Normalität. Wie genau diese vor allem in Rehakliniken und ähnlichen Einrichtungen aussehen wird, muss sich in den kommenden Wochen und Monaten wohl erst noch zeigen. Wichtig ist dennoch, dass diese überhaupt wieder ihre Leistungen anbieten können. "Wir haben in Deutschland etwa 500.000 Kinder und Jugendliche, die von einer Rehabilitation profitieren würden. Aber nur zehn Prozent davon nutzen dieses hochwertige medizin-therapeutische Angebot", sagt Baumann. "Deswegen geht es weiterhin darum, die Kinder- und Jugendreha bei den Ärzt*innen und Therapeut*innen sowie den betroffenen Familien bekannt zu machen. In viel zu vielen Fällen ist der Zugang zur Rehabilitation für die Eltern und Ärzt*innen nicht niederschwellig genug und es gibt Probleme bei der Verlängerung oder Wiederholung einer Maßnahme. Um einen nachhaltigen Erfolg einer Rehabilitation zu sichern, müssen wir die ambulanten und Nachsorgeangebote weiter ausbauen." Dies gilt auch unabhängig von der Corona-Pandemie.