Der in Schweden entwickelte Neuromodulationsanzug ist weltweit einzigartig und setzt auf das Prinzip der Elektrostimulation bei spastisch-bedingten Muskelverspannungen. Damit verhilft das Medizinprodukt von Ottobock Menschen mit MS schonend zu gezielter, schneller und anhaltender Entlastung. Und zu mehr Lebensqualität.
Bei MS ist aus bisher ungeklärter Ursache die Isolierschicht Myelin, die die Nervenfasern umhüllt, irreversibel geschädigt. Das breite Spektrum an möglichen Symptomen hat MS auch die Bezeichnung "Krankheit der tausend Gesichter" eingebracht und umfasst unter anderem motorische Störungen, Erschöpfungszustände und eine Lähmung der Extremitäten, wodurch Spastiken entstehen. Bestimmte Muskeln sind dauerhaft angespannt, verhärten sich, werden steif und beeinträchtigen alltägliche Bewegungen.
Die Krankheit legt nach und nach wortwörtlich das komplette Leben von Betroffenen lahm. Dadurch bedingte Schmerzen können zu einem kontinuierlichen Begleiter werden. "Die MS hat mich immer eingeschränkt, jede Sekunde meines Lebens. Ich konnte weder frei atmen, noch konnte ich mich frei bewegen", berichtet die zweifach Mutter Kerstin, die über Instagram auf den Anzug aufmerksam geworden ist und unter dem Pseudonym Mama mit MS vom Leben mit der Krankheit berichtet.
Von MS betroffen sind vor allem Frauen: Sie erkranken doppelt so häufig wie Männer. Drei von vier Betroffenen haben – gerade zu Beginn – einen schubförmigen Verlauf. Herkömmliche medikamentöse Therapien setzen hauptsächlich darauf, die Schubfrequenz zu reduzieren. Eine Alternative stellt der innovative Neuromodulationsanzug dar, der von dem aus Schweden stammenden Chiropraktiker Fredrik Lundqvist entwickelt wurde. Für Betroffene ist der Anzug oftmals vor allem eines: ihr "Superheldenanzug".
Der Neuromodulationsanzug stimuliert mit 58 integrierten Elektroden 88 individuell von Spastiken betroffene Muskeln. Damit ist er weltweit der erste Anzug, der sich einen physiologischen Reflexmechanismus zunutze macht: Durch ein elektrisches Signal, das an einen antagonistischen Muskel gesendet wird, entspannt sich der spastische Muskel. Wenn beispielsweise der Bizeps verkrampft, stimuliert der Exopulse Mollii Suit den Trizeps, um den Bizeps zu lockern. Auf diese Weise können spastische Muskeln entspannt, schwache Muskeln (re)aktiviert und spastisch bedingte Schmerzen vermindert werden. Mit positivem Resultat: Die Mobilität, der Bewegungsumfang, das Gleichgewicht und die Blutzirkulation können so verbessert werden.
Patient*innen tragen den Exopulse Mollii Suit normalerweise jeden zweiten Tag für 60 Minuten. Diese eine Stunde reicht aus, um die positive Wirkung für viele Stunden aufrecht zu erhalten. Der Prozess verläuft nicht-invasiv und nicht-medikamentös und birgt damit eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen bei Spastik. Der Anzug besteht aus Jacke und Hose sowie akkubetriebener und abnehmbarer Bedienungseinheit. Er eignet sich für Menschen mit neurologischen Bewegungsstörungen wie Multiple Sklerose oder auch Zerebralparese und Schlaganfall. "Mir war vor allem wichtig, ein hochwertiges und nutzerfreundliches Medizinprodukt zu entwickeln, das einfach in der Handhabung ist. Beim Exopulse Mollii Suit nutzen wir Neuromodulation, eine Art der Elektrostimulation. Diese wirkt direkt auf Reflexe des Zentralnervensystems, was zu positiven Effekten wie Muskelentspannung führt. Der Anzug ist einzigartig, weltweit gibt es kein vergleichbares Produkt", sagt Fredrik Lundqvist über die Vorteile des Anzugs.
Erste klinische Studien bestätigen die Wirkung: Bei Patient*innen mit Multipler Sklerose, Zerebralparese und Schlaganfall verbesserte sich nach nur 60 Minuten das Gleichgewichtsgefühl, während sich das Sturzrisiko verringerte. Bei regelmäßiger Anwendung alle zwei Tage konnten die Verbesserungen in den meisten Fällen beibehalten werden. In derselben Studie führte eine Stunde Neuromodulation zu einer signifikanten Linderung von Schmerzsymptomen bei Patient*innen, die diese angegeben hatten. Vier Wochen später verzeichneten Patient*innen, die den Anzug regelmäßig verwendeten, dank eines Carry-over-Effekts, durch den der Effekt langfristiger erhalten bleibt, eine dauerhafte Schmerzlinderung.
"Die Schmerzen von Menschen mit Behinderungen weltweit lindern zu können, ist ein überwältigendes Gefühl", sagt Fredrik Lundqvist, der den ersten Prototyp des Anzugs bereits 2009 im schwedischen Format der TV-Sendung "Die Höhle der Löwen" vorgestellt hat. "Wir haben den Anzug auch für die Angehörigen und Freund*innen der Betroffenen entwickelt. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, den Anzug in der ganzen Welt bekannt zu machen, um möglichst vielen Menschen helfen zu können."
REHACARE.de; Quelle: Ottobock SE & Co. KGaA