Im Interview mit REHACARE.de spricht Steffen Preuß, Geschäftsführer des Startups, über die Anwendungsgebiete von ichó, die Motivation für das Projekt und über bereichernde Momente während der Erprobung des kleinen Balls in Therapiezentren.
Herr Preuß, wie ist die Idee zu ichó entstanden und gewachsen?
Steffen Preuß: Als unsere Großeltern an Demenz erkrankten und sich immer weiter von uns und unseren Familien entfernten, wuchs in uns der Wunsch wieder mehr in Kontakt treten zu können. Durch das Forschungsvorhaben "nutzerwelten" der Hochschule Düsseldorf, fand sich unser Gründerteam zusammen, um nach gestalterischen und technischen Lösungsansätzen für Menschen mit Demenz zu forschen. Schnell entdeckten wir Methoden wie die der Basalen Stimulation oder die Musiktherapie, mit denen man bei einer demenziellen Veränderung die Betroffenen besser ansprechen kann.
Aus diesem Hintergrund formte sich die Idee zu ichó, einem interaktiven Ball zur Förderung und Aktivierung für Menschen mit Demenz. ichó registriert alle äußeren Einflüsse – egal ob er geworfen, gefangen, gestreichelt wird oder man sich ihm einfach nur annähert. Die Reaktionen sind frei und individuell konfigurierbar und belaufen sich auf farbiges Leuchten, Vibration, Klang und Musik.
Einer der entscheidendsten Momente in der Frühphase war die gemeinsame Entwicklung mit unseren eigenen Großeltern. Als ich das erste Mal den Prototypen zu ichó meiner Großmutter in die Hand gab und durch Bewegung ihre Lieblingsmusik von Roy Black gespielt wurde, hatte sie dieses Leuchten in den Augen und war für einen Moment wieder da.
ichó ist im Grunde ein individualisierbares Werkzeug, das eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten eröffnet. Wir arbeiten viel mit Musik und Märchen: Entweder ist auf ichó die Lieblingsmusik hinterlegt und wird bei Bewegung abgespielt oder ganze Instrumente wie etwa Trommel, Gitarre, Geige sind draufgespielt und lassen sich anhand der Bewegungsabläufe abspielen.
Beim Abspielen des Märchens des Froschkönigs ist ichó dann die goldene Kugel, welche tief von unten aus dem Brunnen nach oben hervorgeholt werden muss. ichó erkennt diesen Bewegungsablauf, beginnt golden zu leuchten und das Märchen wird weitererzählt. Das Märchen wird dabei entweder über ichó abgespielt, über den Therapeuten oder als vorher aufgezeichnete Stimme der Angehörigen.
Dies sind nur einige Beispiele wie ichó eingesetzt werden kann. Die Anwendungen wachsen kontinuierlich weiter und werden gemeinsam mit Therapeuten, Pflegefachkräften und Betreuungskräften erarbeitet und evaluiert. Die gesamte Entwicklung findet ausschließlich in Zusammenarbeit mit den Fachleuten und mit Menschen mit Demenz gemeinsam statt.
Außerdem lässt sich ichó kinderleicht anpassen und konfigurieren – über den Stationscomputer per USB oder über eine Smartphone- oder Tablet-App.
Gedacht ist ichó für Therapeuten, Pflegefachkräfte, Betreuungskräfte und vor allem für Familien und Angehörige, um Kontakt aufzubauen, Angebote zu schaffen und mehr Lebensqualität zu bieten.
Welche Therapiemöglichkeiten bietet der Umgang mit ichó Menschen mit kognitiven Einschränkungen und ihren Angehörigen beziehungsweise dem Pflegepersonal?
Preuß: Vor allem kann auf die individuellen Bedürfnisse des Nutzers eingegangen werden. Ein Aktivierungs- und Förderprogramm – basierend auf der Lieblingsmusik, den Lieblingsmärchen, dem biographischen Hintergrund – ist zugänglicher und motiviert durch den persönlichen Bezug.
Neben dem vielseitigen Angebot für Gäste in der Tagespflege, wird ichó auch unterstützend von Pflegefachkräften in vollstationären Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Gerade bei herausforderndem Verhalten können Bewohner schneller aus Stresssituationen geführt werden. So spielt ichó Lieder wie "Hoch auf dem gelben Wagen" und mit Hilfe eines kleinen Spiels wird etwas Ablenkung geboten.
In erster Linie soll ichó den Aufbau von Kommunikation unterstützen, Menschen wieder zusammenführen und Anknüpfpunkte für den gemeinsamen Austausch von Geschichten, Erfahrungen und Eindrücken bieten.