Digitale Hilfsmittel: Moderne Technik für ein barrierefreies Leben
Digitale Hilfsmittel: Moderne Technik für ein barrierefreies Leben
13.07.2022
Menschen mit Behinderung sind oftmals auf unterschiedliche Art und Weise auf Unterstützung angewiesen. Zum Beispiel für Menschen mit Aphasie, Mutismus oder ALS kann ein Sprachcomputer eine große Hilfe sein, so wie ihn etwa Stephen Hawking zu Lebzeiten benutzt hat. Menschen mit Seheinschränkungen profitieren von Screen Readern, also einer Software, die Bildschirmtexte vokalisiert. Andere wiederum benötigen einen speziellen Elektrorollstuhl. Allen Unterstützungen gemeinsam ist hierbei – sie funktionieren dank digitaler Komponenten.
Sprachcomputer sind vielseitig und personalisierbar: Verwendete Symbole, Fotos, Inhalte und die Stimme können individuell angepasst werden.
Um genau dieses Produktmerkmal zu vertreten und auch bei potenziellen Anwendenden bekannt zu machen, hat sich 2021 die DATEurope – Digital Assistive Technology Industry Association gegründet. Der Start, der durch die Coronapandemie etwas verzögert wurde, brachte viele Menschen zusammen. David Banes, Board Director DATEurope, war erstaunt, wie viele Unternehmen schließlich Mitglieder werden wollten und heute sind. Darunter befinden sich auch viele, die auf der REHACARE 2022 zu finden sein werden.
Das Ziel des Branchenverbands beschreibt Banes so: "Für das erste Jahr haben wir uns einige sehr konkrete Ziele gesetzt. Wir planen, die Finanzierungsmodelle für digitale Hilfsmittel in ganz Europa sorgfältig zu erfassen und die Vorteile und Herausforderungen der einzelnen Modelle zu verstehen. Wir wollen damit beginnen, einen klaren und eindeutigen Businessplan für die einzelnen Länder zu erstellen, damit sie in die Bereitstellung von assistierender Technologie investieren. Dabei sind wir uns bewusst, dass die Argumente von Ort zu Ort unterschiedlich sein können. Aber viele der Probleme sind doch unabhängig von der geografischen Lage gleich. Um dies zu erreichen, müssen wir partnerschaftlich und kooperativ mit anderen Interessengruppen zusammenarbeiten. Wir haben bereits begonnen, Kontakt mit Initiativen wie dem WHO GATE oder dem Zero-Project, Einrichtungen des öffentlichen Sektors, gemeinnützigen Organisationen und ähnlichen Einrichtungen in der ganzen Welt aufzunehmen."
Auch Mitgründer und Board Director Christoph Jo. Müller ist überzeugt, dass das noch junge Netzwerk dazu beitragen wird, den Zugang zu digitalen Hilfsmitteln – im Englischen häufig DAT abgekürzt für Digital Assistive Technology – für viele Menschen einfacher zu machen und damit die Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen: "Hilfsmittel schaffen Lebensqualität durch Zugang zu immer mehr Bereichen des täglichen Lebens. Sie helfen, Inklusion wahr werden zu lassen, weil durch geeignete Hilfsmittel die motorischen oder geistigen Defizite ausgeglichen werden können und gleichwertiges Arbeiten ermöglichen. Digital Assistive Technology ist der Schlüssel für die Teilhabe auch schwerstbehinderter Menschen." Und weiter: "Wir müssen aufmerksam machen auf die Möglichkeiten von DAT. Wir brauchen mehr Förderung von Forschung und Entwicklung auf europäischer Ebene, um Menschen mit Behinderung Zugang zu modernster Technologie zu verschaffen. Die Förderung muss stark entbürokratisiert werden und auf relativ kleine Unternehmen zugeschnitten sein. Wenige hunderttausend Euro können große gesellschaftliche Wirkung zeigen. Das Gleiche gilt für die Kostenübernahme durch Krankenkassen in allen Ländern, da das Investment einen großen, multiplen Return bringt in monetärer Hinsicht, in Lebensqualität und Inklusion!"
Lange Wartezeiten für Elektronikbauteile
Wie viele Unternehmen sind derzeit auch die Hersteller von DAT von dem Mangel an Elektronikbauteilen und Lieferengpässen im globalen Handel betroffen. Zwar produzieren die Unternehmen in der Regel eine kleine Stückzahl von Produkten – doch diese müssen für ihren Einsatz von hoher Qualität sein und individuellen Ansprüchen genügen. Hinzu kommen die Herausforderungen, die durch die Pandemie an die Gesellschaft gestellt wurden und werden. Beides wirkt sich auf die Menschen aus, die auf DAT angewiesen sind.
David Banes: "Die Versorgung von Menschen mit Behinderung ist nach dem Ende der Pandemie immer noch recht fragil. In finanzieller Hinsicht müssen einige schwierige Entscheidungen getroffen werden. In sozialer Hinsicht sind uns die Auswirkungen aller bisherigen Maßnahmen noch nicht klar und die Technologie und Innovation schreitet rasch voran. Darauf positiv und konstruktiv zu reagieren – sowohl als Branche als auch als Teil einer viel größeren Gemeinschaft – wird weiterhin eine Herausforderung sein, der wir uns aber gerne stellen."
Von Brailletastaturen und -zeilen über tragbare Sehhilfen bis zu Eingabehilfen wie Joysticks und anderen Alternativen – auf der REHACARE gibt es die verschiedensten Hilfsmittel zum Ausprobieren.
REHACARE 2022 verhilft zu neuem Schwung
Erleichtert zeigen sich die beiden Board Direktoren auch darüber, dass nach zweijähriger Flaute die Messen nun wieder stattfinden können. Denn hier treffen alle – Unternehmen, Handelspartner und Nutzende – aufeinander. David Banes erklärt: "Nach zwei Jahren der Isolation haben wir gelernt, dass Messen, Veranstaltungen und Ausstellungen für die Branche lebenswichtig sind. Sie sind oft der Ort, an dem Kooperationen zum ersten Mal ins Auge gefasst werden. Der Ort, an dem wir auf öffentliche Einrichtungen zugehen, um darüber nachzudenken, wie wir sie unterstützen können, und an dem wir unserer Kundschaft zuhören können – insbesondere Menschen mit Behinderung und ihren Familien – um Feedback darüber zu erhalten, was gut funktioniert und welche Probleme auftauchen. Diese Erkenntnisse helfen uns, bessere Produkte und Dienstleistungen für die Zukunft zu entwickeln."
Auch Christoph Jo. Müller bestätigt die Wichtigkeit von Messen als Treffpunkt: "Die REHACARE ist eine der großen Leitmessen. Hier können international neue Produkte gelauncht und neue Partner gefunden werden. Das Thema DAT muss hier noch mehr Aufmerksamkeit erlangen und Networking unterstützen. Die Messeleitung ist hier inzwischen sehr aktiv geworden und wir können gemeinsam zeigen, welche Trends an zukunftsorientierter Technologie verfügbar sind."
Wer sich weiter über DATEurope informieren möchte, kann dies auch auf der REHACARE 2022 tun.
Digital Assistive Technology – im Deutschen auch digitale Hilfsmittel genannt – wird für viele Menschen mit Behinderung immer wichtiger, um zum Beispiel am Berufsleben teilhaben zu können oder um eine Selbstbestimmung und Selbstversorgung zu ermöglichen. Unterschieden wird zwischen Hardware wie zum Beispiel spezielle Braille-Tablets und Software, die auch auf gängige Produkte wie Handys heruntergeladen werden kann. Je nach Land ist der Zugang zu digitalen Hilfsmitteln allerdings sehr unterschiedlich. So schätzt die Weltgesundheitsorganisation, dass es circa eine Milliarde Menschen mit Behinderung gibt, deren Bedarf an digitaler Assistenz nicht gedeckt ist. Es gibt verschiedene Bestrebungen von Verbänden, diesen Zustand zu ändern.