Selbstbestimmung gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Der Alltag von Menschen mit Behinderung ist jedoch häufig durch verschiedene Barrieren erschwert und die Mobilität eingeschränkt. Das betrifft oft auch das Autofahren. Doch individuelle Anpassungen und digitale Lösungen machen es häufig wieder möglich.
Fahrzeuge können von Automobil-Umrüstern auf verschiedene Bedürfnisse angepasst werden.
Das Unternehmen F. Sodermanns Automobile GmbH ist seit 1996 auf den Umbau von Autos und Fahrzeugen für Menschen mit Behinderung spezialisiert und verhilft zu neuer Selbstständigkeit und Lebensqualität. "Es ist sehr wichtig, die individuellen Fahrhilfen vor dem Umbau auszuprobieren. Das fängt mit einer Kräfte- und Reaktionszeitenmessung auf unserer Driver Test Station an, bei der wir wissenschaftlich ermitteln, welche Fahrhilfen in Frage kommen. Im weiteren Verlauf der Beratung probieren wir gemeinsam aus, wie die Person am besten in das Fahrzeug hineinkommt. Und schließlich machen wir eine Probefahrt in einem unserer umgebauten Fahrschulfahrzeuge auf unserem Verkehrsübungsplatz. Somit ist sichergestellt, dass das individuelle Umbaukonzept perfekt funktioniert", so Ralf Sontag von der F. Sodermanns Automobile GmbH.
Denn ob einsteigen, anschnallen, lenken oder Gas geben – es gibt einige Herausforderungen zu bewältigen, um wieder vollständig mobil sein zu können. Die benötigten Fahrhilfen hängen immer von der jeweiligen Behinderung ab.
Vom Einsteigen …
In der Regel wird das Hilfsmittel hinter dem Fahrersitz in zweiter Reihe oder im Kofferraum untergebracht – wenn körperlich möglich. Üblich sind hier zum Beispiel vollautomatische Rollstuhlverladesysteme. Die Fahrzeugtür kann ebenso auf Automatik umgebaut werden und öffnet beziehungsweise schließt dann per Knopfdruck. Der Transfer ins Auto gelingt vom Rollstuhl über eine am Fahrzeug montierte Transferhilfe in Form eines klappbaren Rutschbretts – dafür ist jedoch eine gewisse Oberkörperstabilität notwendig.
Wenn der Transfer aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht gelingt, ist es möglich, mit dem Rollstuhl (in der Regel ein Elektro-Rollstuhl) über einen Lift oder eine Rampe in das Fahrzeug hineinzufahren. Auch Trittstufen oder Hub-Schwenksitze auf der Fahrerseite kommen zum Einsatz, um Menschen mit Behinderung das Einsteigen zu ermöglichen.
Rutschbretter...
... liftbare Sitze...
... und Trittstufen ermöglichen das Betreten eines Autos auf verschiedene Weisen.
Weitere spannende Beiträge von der REHACARE.de-Redaktion
Ist das Anschnallen aufgrund von Mobilitätseinschränkungen nicht möglich, gibt es Anschnallhilfen, die leichter greifbar sind. Es kann aber auch ein Gurtsystem zum Einsatz kommen, das mit der Fahrertür gekoppelt ist und die Person beim Schließen der Fahrertür automatisch sichert. In seltenen Fällen können auch Bügelsysteme genutzt werden, die sich per Knopfdruck um die Person legen.
"Nutzt man einen Elektro-Rollstuhl wie den PR50, sind der Sicherheitsgurt und die Kopfstütze bereits fester Teil des Rollstuhls. Da der Rollstuhl über eine Docking-Station beim Drüberfahren gesichert wird, ist somit alles erledigt. Der PR50 hat die Zulassung als Fahrersitz nach §35a der StVZO und ist Crash getestet", erklärt Sontag.
… bis hin zur Steuerung
Auch beim Lenken, Bremsen und Gas geben gibt es unterschiedliche Lösungen. Rollstuhlfahrer*innen mit Paraplegie und ausreichend Kraft (50kg Druckkraft laut Gesetzgeber) können verschiedene Handgeräte nutzen, die zum Bremsen und Gas geben verwendet werden. "Diese werden in der Regel mit einer Hand gesteuert. Mit der anderen Hand hält man zum Beispiel einen Multifunktions-Lenkrad-Drehknauf, mit dem das Lenkrad gedreht und gleichzeitig die wichtigsten Sekundärfunktionen wie Blinker, Hupe, Licht, Scheibenwischer bedient werden können", so Sontag.
Wenn die eigene Kraft nicht ausreicht, können digitale Fahrhilfen zum Einsatz kommen. Diese sogenannten Eingabegeräte – wie beispielsweise ein Mini-Lenkrad, Joystick oder Gas-Brems-Schieber – übertragen die Informationen an einen Computer, der wiederum die Motoren des Systems regelt. So kann auch das Fahren mit einer Fußlenkung ermöglicht werden, falls das mit den Händen nicht möglich ist. Wichtige Sekundärfunktionen – wie zum Beispiel die Bedienung der Blinker, Warnblinkanlage, Hupe oder Scheibenwischer – können, wenn nötig, per Sprachsteuerung bedient werden.
Verschiede Anpassungen im Inneren des Autos gehen auf die individuellen Ansprüche der Fahrenden ein.
"Heutzutage ist technisch sehr viel möglich und auch schwere körperliche Einschränkungen können durch einen individuellen Umbau ausgeglichen werden. Selbstständige Mobilität gehört dabei zu den wichtigsten Gütern, die wir haben. Für viele unserer Kund*innen beginnt mit dem eigenen Fahrzeug ein ganz neuer Lebensabschnitt, der geprägt ist von Freiheit und Selbstbestimmung. Das macht uns besonders stolz und dankbar." Auch im Bereich Camping für Menschen mit Behinderung bietet Sodermans individuelle Möglichkeiten. In diesem Artikel auf REHACARE.de erfahren Sie mehr über Mobilität in der Freizeit.
Die Intention, die Sodermanns und viele weitere Unternehmen aus der Hilfsmittel-Branche verfolgen, wird deutlich: die Mobilität der Betroffenen erhöhen und damit die Lebensqualität steigern. Einige REHACARE-Aussteller haben sich daher zusammengetan, um mit vereinten Kräften noch mehr zu bewirken. Lesen Sie in diesem Artikel auf REHACARE.de, wie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen durch diese Kooperationen im Alltag profitieren.