Breite Eingänge, viel Platz zwischen den Regalen, rutschfester Bodenbelag und gut lesbare Preisschilder – vor allem für Senioren und Menschen mit Behinderungen spielt das beim Einkauf eine wichtige Rolle. Die Realität sieht aber oft anders aus: Denn schwer manövrierbare Einkaufswagen, enge Kassendurchgänge oder zu kleine Umkleidekabinen sind leider an der Tagesordnung.
01.04.2016
Grund genug, einen Blick auf das Thema "barrierefreier Handel" zu werfen. Immerhin sollten Geschäfte und Waren zugänglich für alle sein. Doch oftmals scheitert es bereits daran, dass beim Begriff "Barrierefreiheit" nur an Menschen im Rollstuhl gedacht wird. Die Frage lautet daher: Welche Anforderungen muss der Handel für Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen erfüllen?
Der Traum vom barrierefreien Einkaufen
Begeben wir uns also auf einen Rundgang durch einen imaginären barrierefreien Supermarkt. Nennen wir ihn einfach "Accessi". Das Erlebnis "Barrierefreiheit" beginnt hier natürlich schon auf dem Parkplatz. Behindertengerechte Parkplätze befinden sich in der Nähe des Eingangs und sind darüber hinaus gut gekennzeichnet. Auf dem kompletten Gelände gilt die Straßenverkehrsordnung. Das heißt: Wer unberechtigt dort parkt, wird kostenpflichtig abgeschleppt.
In der unmittelbaren Nähe zum Parkplatz stehen neben rollstuhlgerechten Einkaufswagen auch Einkaufswagen mit einer Leselupe zur Verfügung. Der neuste Trend geht aktuell in Richtung "selbstfahrender Einkaufswagen": Eine im Einkaufswagen eingebaute Kamera erkennt das Gesicht des Kunden und folgt ihm vollautomatisch durch den Laden. Das kann besonders praktisch für Rollstuhlfahrer sein, die sich somit voll und ganz auf die Navigation ihres Rollstuhls konzentrieren können.
Der Eingang wurde selbstverständlich schon während der Planungsphase barrierefrei konzipiert oder im Nachhinein umgerüstet. "Rampe" oder "ebenerdig" lauten hier die Stichworte. Im Eingangsbereich von Accessi befindet sich eine Information, die ohne Umwege oder Barrieren erreichbar ist. Hier können Kunden gegen Pfand einen Einkaufsrollator oder ein Elektromobil ausleihen. Der "Rollator-Shopper" (Hier geht es zur Website des Herstellers.) verfügt hier nicht nur über eine große Einkaufstasche, sondern auch über die Möglichkeit, den Rollator mit wenigen Handgriffen zu einem Sitz umzufunktionieren. Das ist gerade für Menschen mit einer Gehbehinderung und besonders für ältere Menschen eine gute Lösung, um auch einen längeren Einkaufsaufenhalt zu ermöglichen.
Beide Hilfsmittel können bereits im Voraus auf Accessis barrierefreier Website für den Einkauf reserviert werden, genauso wie eine persönliche Einkaufsbegleitung. Sie unterstützt und berät während des gesamten Einkaufs, liest Preisschilder vor und berät bei der Produktauswahl. Bis hin zum Einpacken der Waren an der Kasse, geht sie dem Kunden kostenlos zur Hand.
Eine Person, die dem Kunden die Waren reicht, ist aber nur dann nötig, wenn die Waren schlecht erreichbar sind. Bei Accessi liegen häufig nachgefragte Waren gut erreichbar in den Auslagen und Regalen aus. Auch Waagen sind hier frei zugänglich und so angebracht, dass auch kleinwüchsige Menschen sie ohne Weiteres bedienen können.
Sollten speziellere Produkte trotzdem einmal nicht erreichbar sein, verfügt jede Abteilung über ein Servicetelefon. So kann schnell und unkompliziert um Hilfe gebeten werden, sofern gerade kein anderer Kunde oder die Einkaufsbegleitung in der Nähe sind. Menschen mit Behinderung, Senioren und Schwangere werden an der Wurst- und Käsetheke bevorzugt bedient. Das verhindert lange Wartezeiten, die möglicherweise körperlich belastend sind. Der Tresen ist teilweise unterfahrbar, sodass auch Rollstuhlfahrer einen Blick auf die frischen Waren werfen können.
Des Weiteren befinden sich in jeder Abteilung von Accessi Produktscanner, die über eine große und kontrastreiche Schrift, eine Sprachfunktion oder aber Erläuterungen in Gebärdensprache verfügen. So kann jeder Kunde einfach herausfinden, wie viel das Produkt tatsächlich kostet oder welche Inhaltsstoffe enthalten sind. Die üblichen Preisschilder sind ebenso einfach gehalten, möglichst groß und kontrastreich. Im Idealfall sind sie zusätzlich mit Brailleschrift versehen, sodass auch blinde Menschen die Preise lesen können.
Stolperfallen und Barrieren – nein, danke!
Stolperfallen in Form von Werbeträgern, Aufstellern, Werbetischen oder Papierkörben werden in Accessi komplett vermieden oder zumindest so angeordnet, dass sie keine Hindernisse darstellen. Außerdem verfügt der Markt über ausreichend große Bewegungsflächen, sodass Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen gut wenden können.
Um sich zurechtzufinden, gibt es überall Übersichtspläne, die groß und kontrastreich genug gedruckt wurden. Zusätzlich finden sich Menschen mit einer Sehbehinderung in Accessi über Orientierungshilfen auf dem Boden zurecht. Farbige Streifen weisen ihnen den Weg durch den Markt bis hin zur Kasse und zum Ausgang.
Auch behindertengerechte Toiletten oder Ruhebänke in gesonderten Bereichen sind im barrierefreien Supermarkt selbstverständlich vorhanden und gut ausgewiesen. Aus Rücksicht gegenüber autistischen Kunden verzichtet der Markt auf laute musikalische Untermalungen, grelle Beleuchtung und vermeidet soweit wie möglich starke Gerüche.
Schulungen für Personal im Umgang mit Kunden mit Behinderungen hat sich Accessi auf die Fahne geschrieben. Einmal im Monat findet ein Teammeeting statt, bei dem Erfahrungen ausgetauscht und Fehlerquellen aufgezeigt und analysiert werden. Außerdem besuchen die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen Schulungen, die von und mit Behindertenverbänden organisiert und konzipiert werden.
Apropos Mitarbeiter! Sind alle Waren nun endlich im Korb oder in der Rollatortasche, geht es endlich zur Kasse. Die Kassenzone ist ebenfalls rollstuhlgerecht und mit einer Breite von mindestens 100 Zentimetern ausreichend groß. Das Servicepersonal hilft dann auf Wunsch beim Einpacken der Waren, bringt diese zum Auto und verstaut sie im Kofferraum.
Und nun zur Realität …
Runter mit der rosaroten Brille! Wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet, müssen wir feststellen, dass es bei Weitem keinen Supermarkt gibt, der rundherum barrierefrei ist. Und wenn es nur Warenpaletten sind, die von Mitarbeitern unachtsam im Gang abgestellt werden. Die mangelnde Sensibilisierung gegenüber Menschen mit Behinderung oder Senioren ist häufig der Grund, warum das Thema Barrierefreiheit in der Branche nur zweitrangig behandelt wird.
Allerdings befinden sich einige Einzelhändler, aber auch große Ketten, mittlerweile auf einem guten Weg. Der Handelsverband Deutschland vergibt daher seit 2010 unter der Schirmherrschaft des Bundesfamilienministeriums das Siegel "Generationenfreundliches Einkaufen". Ende 2015 gab es fast 10.000 Handelsunternehmen (Eine Liste gibt es hier.), die als generationenfreundlich gekennzeichnet wurden.
Trotz alledem: Liebe Einzelhändler, legt eure Scheuklappen ab und stellt endlich auch für Senioren und Menschen mit Behinderung ein positives Einkaufserlebnis sicher. Nehmt ihre Bedürfnisse ernst, denn nur dann kommen sie auch wieder.