REHACARE 2022: Neuheiten und Neuigkeiten aus dem Fachforum PRODUCTS & NEWS @REHACARE

Die Menschen waren schon immer erfindungsreich, wenn es darum ging, Lösungen für verschiedene körperliche Behinderungen zu entwickeln. So wurden im alten Ägypten Prothesen für den Zeh gefunden und goldener Zahnersatz bei den Etruskern. Wie gut oder schlecht die Anwender*innen damals damit laufen oder essen konnten, können wir nur erahnen. Sicher ist, die REHACARE konnten sie seinerzeit noch nicht besuchen, auch wenn wir uns bereits über eine mehr als 40-jährige Präsenz in den Düsseldorfer Messehallen freuen dürfen.

Heute wissen die Besuchenden den Kontakt mit den Ausstellenden zu schätzen und die Möglichkeit, sich über Neuheiten und Therapieoptionen innerhalb einer bestimmten Produktgruppe zu erkundigen. Zusätzlich informieren die Foren zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel das Fachforum PRODUCTS & NEWS @REHACARE – powered by MOBITIPP. Hier können Interessierte sich Wissen zu einzelnen Produkten aneignen, da die Aussteller im Forum ihre Produkte ausführlich erläutern und Neuigkeiten mitbringen. In diesem Jahr war unter anderem das Thema "Mobilität" gut vertreten und besucht.

So stellte Daniel Feick von Thomashilfen Rehawagen und Autositze vor, die einen sicheren Transport von Kindern bis ins Teenageralter ermöglichen. Funktionalität, Komfort und Sicherheit stehen für ihn an erster Stelle, aber auch das Design ist nicht unwichtig: "Das Gefühl von Sicherheit für die Eltern, aber auch das Gefühl von Freiheit für die Eltern sowie das Gefühl, Freude zu erleben. Das Gefühl ist am Ende immer das, was entscheidet, welches Hilfsmittel es wird."

Mit positiven Gefühlen verbindet auch Frank Sodermanns von F. Sodermanns Automobile GmbH die Anschaffung eines Campingvans für Menschen mit Behinderung. Der Camping-Umbau sei zwar noch mal eine andere Liga als herkömmliche Autos, betont er, doch er lohne sich. Mit einem seiner Mitarbeiter, Ralf Sontag, konnten wir bereits im August zum Thema "Camping im Rollstuhl" sprechen. Mit dem Freemotion Camper können bis zu drei Personen verreisen, von denen eine im Rollstuhl sitzt. Der einfache, aber funktionale Van verspricht dabei viel Freizeitspaß und trickreiche Hilfen. Den Artikel dazu finden Sie hier.

Natürlich werden bei Sodermanns im Autohaus auch herkömmliche Modelle für die tägliche Nutzung behindertengerecht umgebaut. Dabei werden individuelle Wünsche berücksichtigt und Möglichkeiten im Gespräch ausgelotet.

Beim Stichwort Mobilität denken viele Menschen sicherlich zunächst an Autos oder Bus und Bahn. Doch auch Alltagshilfen wie Rollatoren oder Rollstühle umfasst dieser Begriff. Denn mobil bleiben heißt, weiterhin selbstständig seine Umgebung erleben zu können. Dazu gehören der Einkauf, der Weg zur Arbeit oder zum Arzt ebenso wie Freizeitaktivitäten. Nur so ist eine Teilhabe am Leben möglich. Wichtig dabei: Die zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen müssen auch genutzt werden. Leider wird immer noch allzu oft ein Rollator verschämt zu Hause stehen gelassen und nicht benutzt, weil man Angst hat, in der Öffentlichkeit "komisch" angesehen zu werden. "Es sollte in der Gesellschaft ein Umdenken geben dahingehend, dass solche Mobilitätshilfen nicht peinlich sein sollten", so Cara Cröntgen vonder ergoflix Group GmbH. Und ihr Kollege Dennis Stadler führt weiter aus: "Es ist schade, dass es gesellschaftliche Zwänge gibt, Stigmata, Rollstühle immer noch negativ konnotiert sind und das ist etwas, woran wir arbeiten und eine Message nach außen schicken wollen. Die Marke ergoflix steht ganz klar dafür, Dinge zu enttabuisieren."

Die im Forum vorgestellten faltbaren Elektrorollstühle sollen dabei helfen, Freiräume zu erhalten. Sie können zusammengeklappt werden, sodass sie im Auto transportiert werden können. So kann und soll die Teilhabe am öffentlichen Leben erhalten bleiben. Ein wichtiger Punkt, findet Dennis Stadler, denn Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft ein großes Problem: "Natürlich ist ein faltbarer elektrischer Rollstuhl nicht die Lösung gegen Einsamkeit, dazu sind noch ganz viele weitere Aspekte nötig [… ] aber er kann ein Hilfsmittel sein, der den ersten Schritt aus der Einsamkeit heraus bedeutet."

Ähnlich sieht es auch Harald Sieweke von der Meyra Group. Er stellte im Forum den Aktivrollstuhl NANO S vor, der besonders für an Multipler Sklerose erkrankte Personen geeignet ist. Der Rollstuhl kann je nach Bedürfnis angepasst werden. Das ist bei MS-Patient*innen zum Beispiel nach einem Krankheitsschub wichtig. Mit einem geringen Gewicht von nur zehn Kilogramm kann mit dem Rollstuhl problemlos auch eine weitere Strecke zurückgelegt werden. Dies wurde durch die Entwicklung eines offenen Rahmens und Antriebsrädern, die näher am Rahmen befestigt sind, erreicht. Hierdurch ist der Rollstuhl mit weniger Kraftaufwand anzutreiben. Auch das Design hält Sieweke für wichtig und gelungen: "Schön ist, wenn ich gutes Design mit guter Funktion kombinieren kann, und das ist das, was wir wollten." Darüber hinaus kann natürlich auch dieser Rollstuhl problemlos zusammengeklappt und ins Auto verladen werden.

Wer noch unter ausreichender Kraft in den Beinen verfügt, aber trotzdem Hilfe beim Gehen und Stehen benötigt, der ist oftmals mit einem Rollator gut beraten. Auch bei diesen Mobilitätshilfen gibt es viele verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Funktionen. Auf der REHACARE 2022 wurde im Forum der ergoPrimo, ein Nachzieh-Rollator für Erwachsene von Markus Leonard von der mobilfreu.de GmbH vorgestellt. Das Besondere: Der Rollator hat die Sitzfläche hinter den Beinen und ist nach vorn hin offen. So fallen das Hinsetzen und Aufstehen wesentlich leichter und im Gespräch steht der Rollator nicht zwischen den sich Unterhaltenden. Im YouTube-Video erklärt der Hersteller das Produkt.

Fehlt neben der Kraft in den Beinen auch die in den Armen, gibt es verschiedene Lösungen. Eine bietet die Firma Kinova mit ihrem Roboterarm Jaco an. Dieser kann am Rollstuhl befestigt werden und hilft den Anwendenden Sachen wieder selbstständig zu greifen. So kann die eigene Unabhängigkeit beibehalten und Lebensqualität zurückgewonnen werden, wie Thomas Lücke ausführte. Eine ausführliche Beschreibung zur Nutzung von Jaco finden Interessierte auf der Firmenhomepage.

Zu den besonders gern gesehenen "Hilfsmitteln" – nicht nur während der REHACARE – zählen in der Regel Therapie- beziehungsweise Assistenzhunde. Die gut trainierten Vierbeiner helfen Menschen mit Behinderung dabei Tätigkeiten, die diese nicht können, auszuführen. Dazu gehört zum Beispiel das Öffnen einer Tür, das Apportieren von Gegenständen oder die Wahl des richtigen Weges, etwa bei Blindenhunden. Vor einer solchen Zusammenarbeit steht jedoch zunächst ein umfangreiches Training an, sowohl für den Hundewelpen als auch für seinen Menschen. Dr. Ariane Volpert von VITA e.V. Assistenzhunde erklärte im Fachforum die Vorgehensweise. Bereits das Kennenlernen ist ein wichtiges Kriterium: "Bei uns ist das so, dass der Hund schaut, welcher Mensch passt zu uns und nicht andersrum." Man spricht hier von einem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Nur wenn beides zueinander passt, kann die spätere Zusammenarbeit funktionieren. Die Hunde werden hierfür nach der Kreidler-Methode ausgebildet, der Gründerin des Vereins. Mehr Infos über die Dauer der Ausbildung und der angewandten Methoden finden Sie hier.

Über die praktischen Hilfen hinaus erweisen sich die Assistenzhunde auch als geschätzte Familienmitglieder, die das Familienleben bereichern. Für viele Menschen mit Behinderung ergibt sich über die Hunde auch oftmals ein Anknüpfungspunkt für Gespräche mit vielen Menschen, die ohne vielleicht nicht zustande gekommen wären. Denn die Hemmung, zum Beispiel Rollstuhlfahrende direkt anzusprechen, ist in der Gesellschaft immer noch erstaunlich hoch.

Dieses Verhalten kritisiert auch der Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit Raúl Krauthausen während seines Vortrags im Forum PRODUCTS & NEWS @REHACARE. Er betont, wie wichtig Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung sind, um wirklich Inklusion zu ermöglichen. Dabei sagt er, dass "Produkte nicht die Antwort auf Inklusion sein dürfen". Besser wäre es, wenn sich die Menschen begegnen würden. Leider sei dies immer noch viel zu selten der Fall, denn "Kindergärten und Schulen und vielleicht noch Sportstätten sind die einzigen Orte, wo wir noch Menschen kennenlernen, die nicht so sind wie wir". Krauthausen plädiert für einen entspannteren Umgang mit Behinderungen und setzt auf Begegnung statt Aufklärung. (Ein spannendes Interview mit ihm zu diesem Thema und seinem Vortrag auf der REHACARE vom Juli 2022 ist hier zu finden.)

Insgesamt hat sich auf der REHACARE 2022 im Fachforum gezeigt, dass seit den alten Ägyptern sehr viele und gute Verbesserungen im Bereich der Hilfsmittel zu finden sind. Auch in Zukunft wird es sicherlich noch die ein oder andere neue spannende Entwicklung geben. Vielleicht schon auf der REHACARE 2023!

Wer sich noch einmal einen Überblick über alle gehaltenen Vorträge des Forums PRODUCTS & NEWS @REHACARE 2022 verschaffen möchte, findet das Programm hier.