"Ich habe gearbeitet, ich hatte die Kinder. Ich hatte ein ganz normales Leben", sagt die Mutter zweier Söhne über ihr Leben vor der Routine-OP, die alles verändert. Durch einen Fehler, der ihre sensorischen Nervenstränge im Rückenmark nachhaltig beschädigt, ist ihr Bein dauerhaft gelähmt. Sie hat jegliches Gefühl darin verloren. Stehen ist noch möglich, das Bein aus der Hüfte nach vorne zu schwingen auch. Gehen nicht. Denise ist von jetzt auf gleich auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie muss ihr Leben völlig neu strukturieren. Für sie ist es eine existenzielle Krise, denn hinzu kommen die Scheidung von ihrem damaligen Ehemann und die Versorgung der beiden gemeinsamen Kinder, die die psychische Belastung der Situation steigern. "Ich hatte Angst, alles zu verlieren. Ich hatte Angst, dass er das als Grund nehmen wird, mir die Kinder zu nehmen. Dass er sagt: Du kannst dich nicht kümmern. Und ich habe viel darüber nachgedacht, ob ich es wirklich nicht leisten kann", berichtet Denise über die Zeit nach der Operation.
Das C-Brace ist weltweit die erste sogenannte Stance and Swing Phase Control Orthosis (SSCO): Sie kontrolliert sowohl die Schwung- als auch die Standphase des Gehens in Echtzeit und soll Denise mehr Bewegungsspielraum verschaffen. Möglichkeiten, die ihr den Alltag als alleinerziehende Mutter um ein Vielfaches erleichtern würden. Doch erfüllt sie die notwendigen körperlichen Voraussetzungen? Prinzipiell kommt das innovative Hilfsmittel für alle neurologischen Beeinträchtigungen der Beine in Frage, aber erforderlich sind bestimmte Muskelfunktionen und eine bestimmte Rumpfkontrolle. Die Erleichterung bei Denise ist groß: Erste Tests mit einer diagnostischen Testorthese bestätigen, dass sie das C-Brace als Hilfsmittel nutzen kann. Die per Mikroprozessor kontrollierte Ganzbeinorthese, bestehend aus einem Oberschenkel-, Unterschenkel- und Fußteil, wird individuell für Denise angefertigt. Die integrierte Sensorik im Kniegelenk registriert permanent die Kniebeugung und die Kniewinkelbeschleunigung. Hundert Mal pro Sekunde wird erfasst, welche Bewegung wie schnell ausgeführt wird. Die Info wird an den Mikroprozessor gesendet, der die Beugung und Streckung des Knies mittels einer Hydraulik kontrolliert und die notwendige Unterstützung des Beins in Echtzeit regelt. Auf diese Weise wird dynamisch der gesamte Gangzyklus unterstützt. Durch einen reibungslosen Gang sind außerdem weniger Ausgleichsbewegungen erforderlich und die Körperhaltung wird kaum belastet. Dadurch werden Folgeschäden aufgrund von Kompensationsbewegungen reduziert bzw. vermieden. Steuerbar ist die Orthese bequem per App.
Als Denise das intensive Training mit der neuen Beinorthese gemeinsam mit ihrem Physiotherapeuten Mark beginnt, ahnt sie nicht, dass sich ihr Leben erneut komplett wenden wird – dieses Mal zum Guten. Aber erstmal hat sie Muskelkater, denn es werden Muskeln re-aktiviert, die sie aufgrund der inkompletten Querschnittlähmung lange Zeit nicht nutzen konnte. Nach und nach ist sie wieder in der Lage, über unebenen Boden und Schrägen zu gehen oder Treppen im Wechselschritt hinabzusteigen. Sie wird wieder aktiver, besteigt Berge, erklimmt den Eiffelturm und kann mit ihren Söhnen Schritt halten. Sogar Fahrradfahren ist wieder möglich. Bewegungen, die für viele alltäglich, für Denise jedoch lange Zeit ausgeschlossen waren: "Diese Beinorthese ist mittlerweile wie eine Brille für mich. Ohne Brille kann ich nicht sehen. Ohne mein C-Brace kann ich nicht laufen." Immer an ihrer Seite: Ihr Physiotherapeut Mark. Seit Juli 2022 sind sie verheiratet. "An Denise beeindruckt mich der unbändige Wille, trotz aller Einschränkungen das Leben zu leben, das sie möchte", beschreibt er ihre Fortschritte. Für Denise bedeutet die innovative Beinorthese einen großen Schritt in Richtung Selbstbestimmung und einen Ausweg aus der Krise: "Ich habe die Freiheit zurückbekommen, selbst zu entscheiden, was ich erreichen möchte. Und es gibt viele Träume, die ich mir noch erfüllen werde."
REHACARE.de; Quelle: Ottobock