Was war bisher Ihre größte Herausforderung, die Sie gemeistert haben – und was hat Ihnen dabei geholfen?
Maik Birko: Das ist schwer zuzugeben und ich habe jetzt erst mal überlegt, ob ich das hier wirklich zugeben möchte. Aber ich habe mich dafür entschieden, weil es Teil meines Lebens ist und mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin: Ich habe für circa fünf Monate auf der Straße gelebt und ja, damals saß ich schon im Rollstuhl. Das war im Winter 2009 / 2010. Ich hatte einige Rückschläge im Leben und habe mich in meiner Heimatstadt Dresden einfach in den Zug gesetzt, bin nach Hamburg gefahren und entschied mich, hier zu bleiben.
Es war eine ziemliche Herausforderung, da ich nicht wie andere obdachlose Menschen im Schlafsack auf der Straße schlafen konnte – die Gefahr des Diebstahls meines Rollstuhls war einfach zu groß. Ich habe meist am Bahnhof oder, der Freifahrt-Wertmarke sei Dank, sitzend in S-Bahnen geschlafen. Mit dem Oberkörper auf den Knien, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und dick eingepackt. Da die meisten Obdachlosen-Einrichtungen nicht barrierefrei sind und die wenigen, die es waren, überbelegt waren, blieb mir keine andere Wahl.
Letztlich kam ich mit urologischen Problemen und Unterkühlung ins Krankenhaus, wo ich wieder aufgepeppelt und dann ins BG Klinikum Boberg verlegt wurde. Als die Behandlung kurz vor dem Ende stand, hat mich der zuständige Arzt auf eigene Kosten noch eine Woche länger bleiben lassen, weil er mich nicht direkt wieder auf die Straße schicken wollte. Natürlich war das nur eine Notlösung und letztlich wäre genau das wieder passiert. Aber Boberg hat mir eine Unterkunft in der Krankenstube im ehemaligen Hafenkrankenhaus verschafft. Das ist quasi ein kleines Krankenhaus für obdachlose Menschen. Dank der Krankenstube hatte ich die Möglichkeit, mich weiter zu erholen und auch auf Wohnungssuche zu gehen.
Kurz und knapp: Ich habe eine Wohnung gefunden und war nicht länger gezwungen, auf der Straße zu leben. Das war eine Herausforderung, die ich dank dem BG Klinikum Boberg, der Caritas Hamburg und der Krankenstube gemeistert habe. Vielen lieben Dank nochmals an alle Menschen, die mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben und es mir möglich machten, der Obdachlosigkeit zu entfliehen.
Was kann die Hilfsmittelbranche aus der Corona-Pandemie lernen, um zukünftig das Leben von Menschen mit Behinderung zu erleichtern beziehungsweise zu verbessern?
Maik Birko: Menschen als Menschen zu sehen und nicht nur als Kund*innen. Ich möchte hier nicht alle über einen Kamm scheren, aber wenn man am Telefon gesagt bekommt: "Sie müssen das mit Ihrem Sanitätshaus klären, weil Sie kein Selbstzahler sind", dann merkt man als Mensch doch, als was man betrachtet wird. Und das war eine schlichte Frage zur Funktionsweise meines Rollstuhls, die sie hätten spielend beantworten können.
Wenn nichts unmöglich wäre: Wen würden Sie gerne einmal treffen und warum?
Maik Birko: Robin Williams! Er hat mir mit seinen Filmen die Kindheit und die Jugend versüßt und ist nach allem, was man liest, ein wundervoller Mensch gewesen. Ruhe in Frieden, Robin Williams.
Was war Ihr schönstes REHACARE-Erlebnis?
Maik Birko: Dieses Jahr steht zusammen mit den Invictus Games mein erster Besuch der REHACARE an. Ich freue mich auf spannende Tage in Düsseldorf. Zumindest solange ich gesund und munter aus Norwegen zurückkomme, mich kein Bär frisst und auch kein Elch auf sein Geweih nimmt.
Was ich noch sagen wollte....
Maik Birko: An alle eingeschränkten Menschen: Lasst euch nicht sagen, was ihr tun könnt und was nicht. Wenn ihr einen Traum habt, dann verfolgt ihn, so seltsam oder unerreichbar er auch erstmal scheint. Wenn er sich als unmöglich herausstellt, dann habt ihr es wenigstens versucht und bleibt nicht mit dem Gedanken zurück, ob es denn geklappt hätte. An alle hilfsbereiten laufenden Menschen: Bitte bitte fragt, bevor ihr schiebt oder helft!