Was war bisher Ihre größte Herausforderung, die Sie gemeistert haben – und was hat Ihnen dabei geholfen?
Sina Schachel: Eine große Herausforderung war es für mich, die Regelschule zu besuchen und eine Ausbildung zu absolvieren – trotz der vielen Krankheitstage. Dafür habe ich noch ganz gut abgeschnitten. Nur die 5 in Mathe wurde ich bis zum Realschulabschluss nicht los. Nebenbei war man, wie jede*r andere auch, noch Kind und Teenager*in. Da hat man natürlich auch andere Gedanken als nur die Schule. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie mich immer unterstützt und für mich gekämpft haben. So war es mir nicht nur möglich, die Grund- und Realschule zu besuchen, sondern auch eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu machen, wo ich bis heute arbeite.
Was kann die Hilfsmittelbranche aus der Corona-Pandemie lernen, um zukünftig das Leben von Menschen mit Behinderung zu erleichtern beziehungsweise zu verbessern?
Sina Schachel: Bezogen auf die Hilfsmittelbranche weiß ich leider keine Antwort. Hinsichtlich der Pandemie kann ich nur sagen, wie sehr sich jede*r in seiner Freiheit eingeengt gefühlt hat. Man konnte plötzlich nicht mehr "einfach so" irgendwo hin. So geht es vielen behinderten Menschen aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit jeden Tag...
Wenn nichts unmöglich wäre: Wen würden Sie gerne einmal treffen und warum?
Sina Schachel: Oh, da könnte ich mich nur schwer entscheiden. Zum einen wäre es Jane Goodall, weil sie für mich ein großes Vorbild dafür ist, wie die Menschen miteinander umgehen sollten. Dann mag ich aber auch den Umweltschützer Robert Marc Lehmann sehr gern, der aus meiner Sicht in den meisten Fällen eine gute Meinung zum Umgang mit der Natur hat.
Den Entertainer Chris Tall würde ich gern mal treffen, da ich finde, dass er es genau richtig macht. Alle Menschen jeglicher Personengruppen sind gleich, dementsprechend kann man alle in die Comedy mit einbeziehen. Und ich würde mich gern mal mit der Verhaltensbiologin Kate Kitchenham unterhalten. Ich weiß – typisch Hundehalterin. Aber ich schätze ihre Meinung sehr und denke, dass man sich selbst und die Hunde nicht in jeder Sekunde zu ernst nehmen und auch einfach mal Spaß haben sollte.
Was war Ihr schönstes REHACARE-Erlebnis?
Sina Schachel: Ich war in diesem Jahr das erste Mal auf der REHACARE und fand die Gespräche mit alten sowie neuen Gesichtern unheimlich bereichernd und wertvoll. Die lieben Menschen haben den Besuch wirklich zu einem tollen Erlebnis gemacht. Weiterhin mochte ich das Gefühl, dass man "eine*r unter vielen" war. Auch wenn es sich doof anhört, aber man war einfach nichts "Besonderes" oder fiel mit einem Rollstuhl auf. Das war super. Ein weiteres Highlight war natürlich die Halle, wo verschiedene Sportarten vorgestellt wurden. Sehr interessant zu sehen, in welchen Bereichen man überall aktiv sein kann.
Was ich noch sagen wollte....
Sina Schachel: Jeder Mensch (mit Behinderung) ist individuell. Viele Dinge sind machbar, nur eben anders. Das muss nicht immer heißen, dass es schlecht ist. Leider gibt es noch viele unüberwindbare Hürden. Der typische Spruch "Barrieren sind nur im Kopf" stimmt in meinen Augen nicht, denn eine Treppe hindert Rollstuhlfahrende am Weiterkommen. Ich würde mir wünschen, dass ich nicht immer darüber nachdenken müsste, ob ich mit dem Rollstuhl in das Restaurant komme, ob ich zu der Veranstaltung kann oder ob eine Behindertentoilette vorhanden ist.
Inklusion ist so ein wichtiges Thema, das fängt schon in der frühen Kindheit an. Meine Geschwister, die ohne Behinderung geboren wurden, haben in mir nie jemanden gesehen, der anders ist als sie selbst. Der Rollstuhl war einfach da. Genau das würde ich mir für alle anderen Kinder mit und ohne Behinderung auch wünschen. Ein gemeinsames Aufwachsen – sei es als Freund*innen oder Geschwister. Gemeinsam spielen, zusammen schaukeln, über Hausaufgaben schimpfen oder später die ersten Partys besuchen. Man lernt so viel voneinander und nimmt Erfahrungen fürs Leben mit – sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne Behinderung.
Zum Schluss noch ein wichtiger Appell an alle: Eine Behinderung ist kein Grund, sich zu verstecken! Wenn man etwas im Kopf hat, was man gern unternehmen würde – einfach machen, auf die eigene Art und Weise. Es wird sicher anders. Aber das heißt nicht, dass es nicht gut wird.