Was war bisher Ihre größte Herausforderung, die Sie gemeistert haben – und was hat Ihnen dabei geholfen?
Verena Engler: Mich gegen alle Widrigkeiten zu stellen – und die Menschen, die damit verbunden waren. Nicht aufzugeben, an mich selbst zu glauben, dass ich es schaffen kann. Der Glaube an sich selbst ist nicht immer leicht und ich hatte so einige Situationen im Leben, an denen ich echt am Limit war. Es braucht eine starke Resilienz, um immer wieder aufzustehen und weiterzumachen, sich zu sagen: "Und jetzt erst recht!".
Zum Glück bin ich dieser Mensch und ich bin sehr dankbar für die Menschen, die in meinem Leben sind und waren. Auf manche konnte ich gut verzichten, aber auch die haben mich stark gemacht und mir gezeigt, wie ich nicht sein will. Sie waren eine Lektion und viele andere ein Geschenk. Dafür bin ich sehr dankbar, für die Unterstützung, für die guten Gespräche, fürs Aufbauen und mir wieder Mut machen.
Der Satz "Man kann alles schaffen, wenn man sich nur genügend Mühe gibt" ist absolut unrealistisch und baut einen enormen Druck auf. Zu sagen "Ich kann vieles schaffen" ist realistisch. Denn vieles ist nicht alles und nimmt ein wenig den Wind aus den Segeln. Wir können nicht alles schaffen – und das ist auch gut so.
Was kann die Hilfsmittelbranche aus der Corona-Pandemie lernen, um zukünftig das Leben von Menschen mit Behinderung zu erleichtern beziehungsweise zu verbessern?
Verena Engler: Ich glaube, das hat primär gar nichts mit der Pandemie zu tun. Krankenkassen zum Beispiel erschweren uns Menschen mit Behinderung oder einer Erkrankung – ob jetzt sichtbar oder nicht sichtbar – das Leben, anstatt es uns zu erleichtern. Es geht leider – oh Überraschung – immer ums Geld und nicht um dich als Menschen.
Menschen mit Behinderung und anderen Erkrankungen sind nun mal teuer, sie benötigen Unterstützung / Hilfsmittel jeglicher Art. Und weil ich hier von Unterstützung und Hilfsmitteln spreche, stimmt es mich sehr – noch nett ausgedrückt – unpässlich, wenn ich erklären muss, weshalb ich einen neuen Rollstuhl benötige und anschließend noch einen Widerspruch nach dem anderen einreichen muss, obwohl das ja auf der Hand liegt. Das finde ich dann oft sehr schade und auch unnötig anstrengend. Mehr Verständnis würde ich mir wünschen, weniger Ablehnung oder Absagen. Bessere Schulung für Menschen, die bei Krankenkassen arbeiten. Eine angemessenere / verbesserte Finanzierung von Hilfsmitteln, um die Möglichkeiten zu erweitern, einen zum Beispiel angepassten Rollstuhl mit seinem Sanitätshaus zu konfigurieren.
Wenn nichts unmöglich wäre: Wen würden Sie gerne einmal treffen und warum?
Verena Engler: Mich selbst, um mich aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen. Um mich aus der Perspektive meiner Freund*innen oder meines Umfelds kennen zu lernen und mir so zu begegnen.
Was war Ihr schönstes REHACARE-Erlebnis?
Verena Engler: Ich war bisher zweimal auf der REHACARE. Beide Besuche haben mir gut gefallen.
Was ich noch sagen wollte....
Verena Engler: Ich denke, wenn wir anfangen uns gegenseitig zu sehen und zu begegnen – unabhängig von bestimmten körperlichen oder kognitiven Merkmalen – dann kann da etwas Gutes draus entstehen. Menschen mit Behinderung haben meiner persönlichen Ansicht nach nicht das Privileg als besonderer angesehen zu werden als Menschen ohne Behinderung. Denn wir sind alle auf unsere ganz eigene Art und Weise besonders und in erster Linie sind wir Menschen – unabhängig von sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten.